von süss bis ungeniessbar

Typisch weiblich?

Vor ein paar Tagen sass ich mit meiner Geschäftskollegin im Zug von Zürich nach Hause. Wir hatten mal wieder das Pech, den halb sechs Uhr Zug nehmen zu müssen. Pech, weil dies der Hauptpendlerzug auf der Strecke von Zürich nach Genf ist. Das bedeutet – kein einziger Platz bleibt frei, auch nicht in der ersten Klasse.

Wir arrangierten uns im Viererabteil am Fenster und verstauten unsere Einkaufstaschen auf, unter und neben unseren Beinen. Ein ziemlicher Taschensalat. Keine zwei Minuten später sassen auch schon zwei Geschäftsmänner neben uns, die dem wohlverdienten Feierabend entgegensahen. Meine Kollegin zückte ihr Smartphone und fing an, ihrem Liebsten zu Hause per SMS mitzuteilen, wann wir am Zielbahnhof sein werden (der Gute holt sie immer ab). Im Tempo einer Schnecke peilte sie jeden Buchstaben auf dem Handydisplay an und ich grinste auf den Stockzähnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir zu Hause sein würden, bevor das SMS raus ging, war bei diesem Schreibtempo ziemlich hoch. Ich kicherte und sagte: „Geht’s auch etwas schneller oder möchtest Du, dass ich Dir helfe?“ Sie schaute vom Handy auf und zischte mich an: „Halt den Schnabel, ich kann mich nicht aufs Schreiben konzentrieren, wenn Du mit mir sprichst.“ Hallo? Das konnte ich doch so nicht stehen lassen, schliesslich hörten die Herren in unserem Abteil mit. „Wie denn, Du bist eine Frau! Bist Du denn nicht multitaskingfähig? Hallo? Nur Männer können das nicht.“ Ups, jetzt kam aber Schwung ins Abteil. Der Herr neben mir legte seine Zeitung auf die Knie, dreht sich leicht zu mir und meinte:
„Entschuldigen sie mal, aber meine Psychologin hat mir vor kurzem gesagt, dass diese Aussage gar nicht stimmt.“
Wer mich kennt, weiss, dass ich das SO nie und nimmer stehen lassen würde.
„Soso, und wie kommt es dann, dass die Frauen die Kinder gross ziehen, den Haushalt schmeissen, gleichzeitig putzen, ans Telefon rennen, das Kind vor dem heissen Herd retten und rechtzeitig gekocht haben?“
„Das ist nur so, weil man den Männern die Chance dazu nicht gibt.“ Dazu schaute der Typ mich an, als ob sein Dackel gestorben wäre. Und er legte noch nach und meinte:
„Ich finde dieses Thema spannend, wir können uns gerne ein bisschen darüber unterhalten.“
Mir schoss durch den Kopf, wie ich aus dieser Nummer wieder rauskommen könnte. Keine Chance! Der Zug war voll. Der Fluchtweg von Businessmännern versperrt und meine liebe Kollegin versuchte, einen aufkommenden Lachkrampf herunterzuwürgen.
„Glauben sie mir, es hat schon seinen Grund, dass wir Frauen die Kinder bekommen und das Familienmanagement haben, sonst würden vermutlich etliche Sprösslinge verhungern. Da ist der Job in der Chefetage eine Spielstunde dagegen.“
Habe ich schon erwähnt, dass die beiden Herren im Zweierabteil auf der anderen Seite des Ganges inzwischen auch den Blick weg von ihren Laptops in unser Abteil gerichtet hatten? Und dass sie schon so schief in ihren Sitzen hingen, dass der Zug zu kippen drohte? (Übertreibung lässt grüssen.) Ich hatte das Gefühl, dass die Männerohren immer grösser wurden, und mein Bedürfnis auszusteigen auch! Leider dauerte die Fahrt noch eine Weile an.
„Also wissen sie, ich bin halt auch der Meinung, dass sich die Pflichten und Qualitäten in den Rollen durch Internet und so ohnehin verschoben haben“, wollte der gute Beisitzer nehmen mir weiterdiskutieren. Ich schaute hilfesuchend meine Kollegin an, die sich beinahe in die Hose machte, weil sie die Beherrschung behalten musste. Freundlicherweise hängte sie sich nun in die Diskussion ein – mit ihrem sauberen und einwandfreien Ostschweizer Dialekt. Und schon waren wir ein Thema weiter:
„Aha, sie sind von dort, wo die Stoffe und so herkommen, hä?“ grinste er sie an.
„Sie meinen die Sankt Galler Spitzen?“ fragte sie zurück.

Und wer nun denkt, dass das alles gewesen wäre, der irrt. Weitere 20 Minuten wurden wir über die Gefahren von Online Games, den Buddhismus, Arbeitsweg, Wohnort und überhaupt das Leben aufgeklärt. Phasenweise fühlte es sich wie eine Zwangstherapie an, denn wir kamen ja aus der Nummer nicht raus. Bis der Gute schliesslich aussteigen musste – glücklicherweise zwei Haltestellen vor unserem Zielbahnhof.

Er war kaum draussen, da brachen wir in lautes Gelächter aus. Ihr könnt mir glauben, dass Zugfahren mit meiner Kollegin etwas ganz Besonderes ist. Warum? Trips mit ihr laufen so gut wie nie normal ab (warum auch immer das so ist), wir lernen immer Leute kennen, die wir oft gar nicht kennenlernen möchten, und wir unterhalten regelmässig den ganzen Zugwagon. Keine Ahnung warum, aber das passiert mir immer nur mit ihr! So macht Zug fahren Spass. Wenn sie nun noch etwas schneller wird mit dem SMS tippen, dann kommen wir hoffentlich künftig um Frauendiskussionen mit Männern herum! Toi toi toi!

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32 Kommentare

  1. Marlene

    Ich komme auch öfter unfreiwillig an so gesprächige Bahnfahrer. Allerdings finde ich, der Mann hat recht und ich würde mich freuen, wenn mehr Männer sich auf Kindererziehung und Haushalt (nicht gerade mein Hobby) stürzen würden. Da braucht man die, die wollen, nicht auch noch demotivieren. Aber klingt ja nicht, dass du das geschafft hat, wenn der Herr noch ein stundenlanges Gespräch angehängt hat – echt blöd, dass man aus Zügen nicht einfach verschwinden kann 😉 Liebe Grüße

  2. floggingmaria

    haha! Musste grade echt lachen. Kenne solche Situationen nur viel zu gut 🙂

    • danielajaeggi

      Dann musst Du dringend mal mit uns Zugfahren – das wird ein Gaudi 🙂

  3. arianezuber

    Herrlich, wäre ich dabei gewesen hätte ich bestimmt viel Spaß gehabt, klingt nach großem Unterhaltungswert 😉 ich mag ja sowieso Zug fahren – meistens jedenfalls.

    • danielajaeggi

      Ja, manchmal wird das Ganze echt zu einem Unterhaltungsprogramm! 🙂

  4. Simmis Mama

    Und mein Smartphone lässt es mich nicht markierten um es zum Clowns Beitrag hinzuzufügen. Dazu brauch ich wohl einen echten Computert …

  5. Simmis Mama

    Aaaah das steht beim falschen Beitrag. Sorry. Keine Ahnung wie das jetzt hierhin kommt 🙁

  6. Simmis Mama

    Hätte der Gutachter, der unsere Erziehungsfähigkeit prüfte und nicht fand so etwas bei unserer Tochter erlebt, hätte er gleich noch einen Beweis für meine emotionale Inkompetenz gehabt: Kind lacht nicht über Clown, ich wusste doch, dass diese Mutter unemotional ist. http://wp.me/p4LKY9-40

    • danielajaeggi

      Gehört zum Beitrag „voll lustig“ – ich habs verstanden! 🙂 Danke

  7. Simmis Mama

    Ach, im Moment ist in der Wissenschaft in Mode zu sagen, dass niemand multitaskingfähig sei will das Gehirn nur eine Sache gleichzeitig erledigen könne. K.A. warum denen der Widerspruch zur Realität nicht auffällt.

    • danielajaeggi

      Meine Güte: Bis ich nun kapiert habe, was K.A. heissen soll! 🙂

      • Simmis Mama

        Liegt am Alter. Wenn man wie ich 30 ist hat man die Stunde nachdenken weil jmd vllt oder ka schreibt schon hinter sich. Vielleicht aber auch nicht.

      • danielajaeggi

        Aufhööören, ich hasse diese doofen Abkürzungen! 🙁

      • Simmis Mama

        Keine Ahnung, vielleicht kenne ich ja gar nicht so viele 😀

  8. helloleen

    …und irgendwann hat frau das multitasking satt…sooo befreiend! 😉

    • danielajaeggi

      Also ich könnte nicht ohne – mir wäre das zu kompliziert. Multitasking macht das Leben so wunderbar einfach, finde ich! 🙂

  9. danielajaeggi

    Meinetwegen halt – ich kenne auf jeden Fall nur Männer, welche die Sachen nacheinander machen, während die Frauen dies parallel tun. So, jetzt habe ich auch ein bisschen geklugscheissert! 🙂

  10. meertau

    lach…. leider hat die psychologin des herren recht. die sache mit dem multitasking ist leider längst wiederlegt. alle machen den tag über hundert vierschiedene sachen gleichzeitig und leider leidet die qualität (bei männern ebenso wie bei den damen).
    *klugscheissermodus wieder off*

  11. notiznagel

    Die Frage sei erlaubt und spielt bei grossen Klappen wahrscheinlich keine Rolle:
    „Fuhr der halb sechs Uhr Zug morgens oder abends?“

    • danielajaeggi

      Abends natürlich! Wer schnattert morgens um halb sechs schon so viel?? 🙂 🙂

      • notiznagel

        Na wer denn, grosse Klappen natürlich.
        Drum fahren die auch nie im morgenfrüh Zug umher. Die Gefahr der Lynchjustiz der Mitreisenden zum Opfer zu fallen ist zu gross. 😉

      • danielajaeggi

        🙂 🙂 🙂

  12. Sylvia Kling

    Da lebst Du in einer nicht maulfaulen Gegend. Weißt Du, wie die Sachsen, explizit Dresdner sind? Die würden Deinen ersten Satz mit Leidensmienen quittieren und ihre „Sachsenschnute“ ziehen oder mit dem Kopf schütteln. So gesprächsbereit wie die Männer in Eurem Zug sind die bei uns nicht. Ich habe mir gerade vorgestellt, wie solche Gespräche bei uns ablaufen würden (vorausgesetzt, die würden ihre Muffligkeit nicht nur montags … verlieren) und stelle mir unseren „wunderschönen sächsischen“ Dialekt dazu vor. Nee, nee, blooooooooooooooooss nicht :-). DAS würde ich nicht wirklich hören wollen ;-).

    • danielajaeggi

      Ich lach mich schlapp – so schlimm bei euch? Ich komme mal als Therapeutin vorbei, an meiner grossen Klappe kämen auch eure Männer nicht vorbei! 🙂 🙂

      • Sylvia Kling

        Oh mein Gott! Die denken glatt, Du wärest eine Hexe und verbrennen Dich auf dem Scheiterhaufen! Grins schräg …

  13. Maja

    Deine Freundin soll sich so einen Smartphone Stift kaufen, da klappts mit dem Schreiben auf dem Mobilteil besser. ich hab auch so einen, weil es mit den Fingern einfach nicht schnell geht. Man greift meistens daneben.
    http://www.amazon.de/System-S-kapazitiver-Bildschirm-Smartphone-Touchscreen/dp/B0072GV2E8/ref=sr_1_1?s=ce-de&ie=UTF8&qid=1420711883&sr=1-1&keywords=smartphone+stift

    • danielajaeggi

      Danke für den Tipp, ich werde es weiterleiten! Würdest Du sie kennen, wäre jetzt ein breites Grinsen auf Deinem Gesicht, denn ich glaube nicht, dass in ihrem Fall ein Stift hilft….:-) 🙂 🙂

  14. schnipseltippse

    Hahaha, daran warst du doch selbst mit deiner großen Klappe schuld 😀
    Ich wäre zu gern mir euch gefahren, allein um den Sprung von den Gefahren durch Games zum Buddhismus zu erleben. *lachlach*
    Du darfst übrigens gern meine Fragen „rückbeantworten“ falls du magst, du freches Pralinchen. Würde mich freuen.

    • danielajaeggi

      Soso, jetzt wird also auf meiner grossen Klappe rumgehauen, hä?? Du solltest meine Kollegin kennen….deren Klappe ist mindestens genauso gross – deshalb jeweils das Feuerwerk, wenn wir im Doppelpack unterwegs sind. Wenn ich dazu komme, ackere ich mich durch Deine Frage. Bin im Moment gerade ziemlich viel unterwegs – zwar immer mit Laptop, aber meist nur, um kurz Antwort zu geben. Gerade sauviel los bei mir. Auch ohne 5 Kinder (ich stauuuuuuneeee!!). Wie schaffst Du das bloss? Du bist die Oberfrau und ein Crack in Multitaskingfähikeit, hm???!! 🙂 🙂

      • schnipseltippse

        Weder noch. Die sind vom Alter her einfach gut geplant, so dass es immer gut zu bewerkstelligen ging. 🙂

      • danielajaeggi

        Chapeau ob soviel Planung – scheint ja alles geklappt zu haben, wie am Schnürchen. 🙂

      • schnipseltippse

        Was für eine Planung??? 😉

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