von süss bis ungeniessbar

Wo bleibt der Zusammenhalt

Solidarität und Zusammenhalt – Worte mit grosser Bedeutung und leider ziemlich kleinem Wert. Zumindest erlebe ich das in der Schweiz täglich mehr. Keine Ahnung, warum das so ist – aber es scheint die „Egoistenkrise“ ausgebrochen zu sein.

Nach meinem Beitrag zum Lädelisterben gab es diverse Reaktionen – auch privat wurde ich angeschrieben und viele, die täglich um den Erhalt ihres Gewerbes kämpfen, scheinen sich dafür sogar zu schämen. Hallo? Dann gibt es aber einige wenige, die begriffen haben, dass es nur gemeinsam geht. Nach dem Motto: „Zusammen sind wir stark!“ Entweder, indem sich kleine Geschäfte zusammenschliessen, um stärker zu werden – oder indem innerhalb von Vereinen und Gruppierungen gegenseitig dazu ermuntert wird, die kleinen und einheimischen Gewerbetreibenden zu unterstützen, anstatt ins nahe Euroland einkaufen zu gehen. Es besteht also noch ein kleiner Funken Hoffnung, dass nicht ganz alle den Verstand verloren haben. Aber eben: Ein kleiner Funken.

Die Realität sieht nämlich leider so aus, dass die Eidgenossen (so werden wir in Hamburg von den Einheimischen genannt) ziemlich egoistische Sturköpfe sind. Sie leben nach dem Prinzip: „Mein Haus, mein Garten, mein Auto, mein Job und mein Baum.“ Der offene Blick nach rechts und links ist dabei total abhanden gekommen und das erschwert das Gefühl des Zusammenhalts doch sehr. Würde es nämlich im Privaten funktionieren, wäre es auch auf geschäftlicher Basis nicht so schwierig. Ich habe in meiner beruflichen Selbständigkeit des öfteren einen Schuh voll Frust herausgezogen, wenn ich den naiven Gedanken hatte, gemeinsam etwas auf die Beine stellen zu wollen. Jeder fährt augenblicklich die Ellbogen aus und hat Angst, man könnte ihm etwas wegnehmen – und wenn es nur der Dreck unter den Fingernägeln ist … auch den gibt man nicht freiwillig her. Ich scheine da ziemlich einfach gestrickt zu sein. Für mich war irgendwie immer klar, dass gemeinsam besser ist als alleine. Auf meinem Weg habe ich aber immer wieder das Gegenteil erfahren. Neben der Tatsache, dass nicht selten die Leute unter gemeinsam nicht dasselbe verstehen, wie ich. Ich habe nämlich auch Situationen erlebt, in welchen ich mich im Prinzip „gemeinsam“ wähnte, dann aber merkte, dass nur die Kosten unter „gemeinsam“ fielen, die Lorbeeren dann aber hart umkämpft wurden.

Tja – die Modepraline scheint im falschen Jahrhundert unterwegs zu sein. Oder aber ich muss lernen, mir an meinen Ellbogen Hornhaut zuzulegen und diese auszufahren, sobald mir jemand zu nahe kommt. So richtig Eidgenossin eben: Mein Haus, mein Garten mein … mein … mein … ! Mit fast 50 Jahren wird mir das aber kaum mehr gelingen. Und ich weiss auch nicht, ob ich mich dabei noch gerne im Spiegel betrachten würde. Nein! Der Egotrip scheint nicht meiner zu sein. Dann werde ich noch eher zur Alpwirtin mit Selbstversorgung – dort hat es weniger Ellbogen im Weg! 🙂

P.S.: Allen, die nun jammern, dass sie wegen Geldmangel doch dies und jenes nicht können, obwohl sie gerne würden – NEIN! Ich kann es nicht mehr hören. Unsere Gehälter in der Schweiz sind so hoch, wie sonst nirgends auf der Welt. Da sollte sich ganz schlicht und einfach jeder schämen, der noch sein Brot in Konstanz beim Bäcker holt, weil es dort billiger ist, als in der Schweiz. Hirn einschalten! Auf euren Gehaltschecks steht definitiv Schweizer Franken – nicht Euro!!!

Teile diesen Beitrag

31 Kommentare

  1. Das Smamap

    Ich denke, dass zum einen die Schweizer auch nicht anders reagieren, wie so manche andere in Europa. Wenn es was zu bekommen gibt, dann sind alle da, und wenn man geben soll, dann hört man sehr oft „mein mein mein“. Man muss sich ja nur das Verhalten ansehen, wenn es um die Verteilung der Flüchtlinge geht.
    Und zudem, denke ich, haben die Schweizer auch eine geschichtliche Erfahrung, weil sie immer wieder eine Enklave in Europa waren, und sich „irgendwie“ behaupten mussten. So ähnlich wie die Briten auf ihrer Insel.
    Ich sag nicht, dass ich das gut finde, ganz im Gegenteil. Aber es scheint mir erklärbar.

    • modepraline

      Ja, und genau deshalb werden wir im Ausland von den Leuten mit einem komischen Gesichtsaudruck „die Eidgenossen“ genannt….was ich eher als Schimpfwort, denn als Tatsache verstehe…

  2. anettburri

    Solidarität fängt halt im Kleinen an. Ich denke es darf viel mehr Kooperationen geben wo wir uns gegenseitig unterstützen (nicht nur geschäftlich sondern auch privat).

    Bezüglich Löhne. Es gibt auch in der Schweiz Armut und das mehr als wir denken. – Viele Menschen stehen nicht dazu, weil Geld ja eh so ein Thema für sich ist.

    Das wir höhere Löhne haben stimmt. Doch im Verhältnis dazu sind all die anderen monatlichen Kosten (sprich Lebensmittel, Krankenkasse, Bus- oder Zugbilette, Mieten etc) in den letzten Jahren gestiegen. Nur die Löhne irgendwie nicht.

    Ich weiss, dass es Länder gibt wo die Wohnverhältnisse etc. viel schlimmer sind und wir hier auf hohem Niveau jammern. Dennoch konnte ich die Sache mit den Löhnen nicht so stehen lassen. ;0)

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen mit einem geringen Einkommen nach Konstanz fahren (ausser sie wohnen in Grenznähe vielleicht). Dafür langt nämlich das Geld gar nicht. Halbtax, Zugbilette etc. sind für diese Menschen Luxus.

    • modepraline

      Echte Armut gibt es in meinen Augen in der Schweiz nicht – Armut ist für mich, wenn jemand hungern muss und kein Dach über dem Kopf hat. Das muss in der Schweiz niemand, dafür sind unsere sozialen Netze zu stark. Wer bei uns auf der Strasse lebt und bettelt, hat es sich so ausgesucht, weil er/sie sich nicht an die Regeln halten will. Sonst muss bei uns keiner unter der Brücke wohnen. Das ist nicht einfach so dahergesagt, das ist erwiesen. Ja, die Kosten sind gestiegen, absolut richtig – und die Löhne sind nicht linear zu den Kosten gestiegen – auch absolut richtig. Aber sie sind immer noch dem Lebensstandard der Schweiz entsprechend. Ausser, man lässt sich von deutschen Billiggiganten in der Schweiz anstellen, die halten sich leider oft nicht an die üblichen Löhne. Und man kann auch nicht erwarten, dass man ohne Ausbildung 4000.– verdient. Ungelerntes Personal wird nunmal schlechter bezahlt – das ist auf der ganzen Welt so und ist ja auch nicht mehr als recht, sonst wären ja alle, die gute Ausbildungen machen, komplette Idioten. Verstehst Du, was ich meine?

      • anettburri

        Ich verstehe was Du meinst. Klar gibt es in der Schweiz Unterstützung. Doch das Gefühl was dabei entsteht, wenn man diese Leistung bezieht nagt ziemlich am Selbstwertgefühl.
        Oft muss man sich vor den Mitmenschen auch rechtfertigen, weil ja immer noch die Meinung besteht nur Faule finden keine Arbeit.

        Ich habe im Übrigen eine Ausbildung und verdiene dennoch recht wenig. Und nein ich arbeite nicht bei einem deutschen Billiggiganten. ;0)

      • modepraline

        Dann bist Du eine der wenigen Ausnahmen, die es halt auch immer noch gibt…:-)

      • anettburri

        ;0)

  3. Sandra Matteotti

    Du sprichst verschiedene Punkte an. Das mit der fehlenden Solidarität kenne ich nur zu gut. Innovation, gemeinsames Anpacken, Neues wagen – in der Schweiz nicht gewünscht. Jeder pflegt sein eigenes Gärtchen und passt gut auf, dass auch ja keiner die Rosen stiehlt, oder sich nur schon dran freut.

    Das frustriert mich manchmal sehr.

    Der andere Punkt sind die hohen Löhne. Ja, die haben einige hier. Bei weitem nicht alle. Und für ganz viele ist das Leben hier in der Schweiz mehr als nur nicht rosig. Die Armut nimmt in der Schweiz zu (empfohlen hier das Buch von der Caritas „Handbuch Armut Schweiz“). Zwar mag man mit einem Lohn von 3000 Franken im Vergleich mit anderen Ländern gut dastehen, nur wenn man damit in der Stadt Zürich arbeitet und mit einer Familie leben sollte, wird es mehr als nur schwer. Wer das bezweifelt, darf es gerne mal probieren.

    • modepraline

      Da gebe ich Dir bedingt recht – denn Zürich ist nicht gleich Zürich. Klar, mit einem Einkommen von CHF 3000.– ist der Kreis 1 kaum die richtige Adresse. Aber auch in Zürich gibt es günstigere Wohnungen und Einkaufsmöglichkeiten fürs kleinere Budget.

      • Sandra Matteotti

        Ich wohne selber in Zürich und kenne die Wohnpreise hier relativ gut – auch die Einkaufsmöglichkeiten in den (günstigeren) Randgebieten. Aus eigener Erfahrung und weil ich mich in dem Bereich doch gut auskenne würde ich dir widersprechen, aber so hat jeder seine Sicht.

      • modepraline

        Ja, kenne mich dort auch gut aus … hat aber andere Gründe … drum: Wir müssen uns ja zum Glück nicht immer einig sein!

  4. Dampfbloque

    Das mit dem falschen Jahrhundert geht aber auch anderen Menschen so. 😉 Mir wäre das direktere Zusammenleben von vor 20 Jahren deutlich lieber.

  5. Hilfe für Miranda

    Auch Geschäftleute können mit gutem Beispiel voran gehen. Du hast die richtige Einstellung und bist ein gutes Beispiel. Es gibt noch mehr Unternehmer die so denken.

    • modepraline

      Ja, leider werden es immer weniger…ich wünschte, es würden wieder mehr!

      • Hilfe für Miranda

        Bleib Deiner Linie treu, dann finden sich andere, die auch Mitbewerber sehen und keine Konkurrenz. Es gibt viele Unternehmer, die erkannt haben, dass man heutzutage mit der Ellenbogen-Strategie nicht mehr weiter kommt. Das passt nicht mehr in unsere Zeit. Ein Miteinander ist der Schlüssel zum Erfolg.

      • modepraline

        Dankeschön! 🙂

  6. sunflower22a

    Gut beobachtet. Das Gift der Herren Blocher und Köppel durchdringt allmählich die ganze Schweizer Gesellschaft. Ihr müsst sie stoppen.

  7. Isabella

    ….durfte heute einen tollen Nachmittag mit meinen tollen Nachbarn verbringen – wir helfen einander mit grossen und kleinen Dingen – mal 1 kg Mehl – Mittagstisch – Fahrdienst 😊 – und das alles ohne ein „Milchbüchlein- Rechnung“ zu führen – Hopfen & Malz ist noch nicht verloren….😉

    • modepraline

      Scheint so….

    • modepraline

      Übrigens Isabella: Wir haben auch die tollsten Nachbarn der Welt – ich habe meinen Beitrag auch eher aufs Geschäftliche, denn aufs Private bezogen. 🙂

  8. silgil

    Ach, der hart gesottene, egoistische Eidgenosse gibt es leider wirklich!
    Diese Generation führt ein feudales Rentenalter, sterben aber auch langsam aus…… es gibt aber auch noch jüngere die sehr ich bezogen sind, ihre Gärtchen mit Zäunen eingrenzen, sture Köpfe!
    Die U 40 er von heute sind da offener und die noch viel Jüngeren leben viele in WG s.
    Motto: mein ist auch dein, teilen und nicht nur besitzen.

  9. Es Marinsche kocht

    ….aber für den Franken gibt es nunmal viel Euro…..wie sehr der Einkaufstourismus Blüten treibt hat man seit der Frankenrutschpartie beobachten können….dem Chaos an den Zollanlagen und in den grenznahen Gemeinden ist schier nicht Herr zu werden….Verkehrsinfarkte bis zum abwinken….zumindest anfangs….wie die aktuelle Lage ist kann ich grad nicht beurteilen….

    Anders herum geht es mit dem Tanktourismus….da schwirren die Deutschen glaub immer noch fleißig in die Schweiz….

    Jeder ist sich selbst der Nächste….hüben wie drüben…..zu zu schade!

    Wie kommt man wieder zu dem „Gemeinsam sind wir stark“? Der Karren scheint ziemlich verfahren zu sein….

    • modepraline

      Ja, der Karren steckt tatsächlich ziemlich im Dreck fest…

      • Es Marinsche kocht

        Jaaaaaa……. :-/

  10. kinder unlimited

    Ich glaube auch, dass Boutiquen mit guten Ideen, ausgefallenen Dingen weiter überleben werden. Es wird nur nicht mehr so einfach sein. Sie brauchen mehr Marketing, die richtigen Leute müssen darüber wissen. Es gibt immer noch sehr viele Menschen, denen Individualismus (auch in der Kleidung) wichtig sind und für diese Exklusivität bereit sind, mehr Geld auszugeben!

    • modepraline

      Ich suche sie dann mal….

      • kinder unlimited

        ich hab den Sarkasmus gehört ;-)))

      • modepraline

        ups, dabei war ich so leise….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© 2024

Theme von Anders NorénHoch ↑