von süss bis ungeniessbar

Geschrieben vor 2 Jahren … Reblog Teil 5

Trotzphase

Was habe ich mich früher geärgert, wenn meine Kinder trotzig waren. Wobei ich sagen muss, dass ich diesbezüglich glimpflich weggekommen bin. Diese Phasen waren bei uns von kurzer Dauer und vermutlich auch weniger intensiv, als bei manch anderen. Tobsuchtsanfälle blieben zum Glück ganz aus. Und wer nun denkt, dass die Pubertät dafür umso extremer wurde, der hat leider recht (arme Eltern…). Aber zurück zur Trotzphase:

Ich war letzthin am Bahnhof im Kiosk, um mir eine Zeitschrift für die Zugfahrt zu besorgen. Da war auch eine junge Mutter mit ihren zwei Kleinkindern. Der Junge sass im Buggy und war vielleicht 2-jährig, das Mädchen war so um die 4 Jahre alt. Schon beim Eintreten in den Kioskbereich hörte ich, wie die junge Mutter erklärte, dass sie nur Getränke für die Zugfahrt bräuchten. Keine Süssigkeiten. Und das an einem Ort, wo alle Süssigkeiten auf Kinderaugenhöhe platziert sind. Na toll!
Während die Mama mit dem Buggy zu den Getränken kurvte, erspähte die Kleine die Wundertüten in pink und blau, die neben der Kasse standen. „Maaaaaamaaaaaa!?“ Die Mutter packte die Getränke auf das Dach des Buggys und schaute sich nach der Tochter um. „Jaahaaa, ich bin hier. Was ist los?“ Die Kleine: „Kohommmm heeeer, ich möchte diiiiieese daaaaa.“ Die Mutter schob den Buggy um die Regale, sah die Kleine und zischte: „Ich habe Dir gesagt, dass es nichts gibt! Keine Diskussion.“ „Ach biiiitteeee, nur diese da für mich, biiiiittteeeee.“ Der Tonfall der Kleinen hatte was von einem Tinitusgeräusch. Und inzwischen hatte auch der kleine Bruder im Buggy gecheckt, dass da etwas rausspringen könnte. „Ich auuuuuch haben!!“ Tönte es aus dem Kinderwagen. Dabei zappelte er wie ein Fisch auf dem Trockenen und versuchte, sich unter dem Buggygurt durchzuschieben. „Ich habe nein gesagt“, so der scharfe Ton der Mutter. Keine Ahnung, ob ihre Sprösslinge überhaupt wussten, was  nein heisst, denn die Wirkung war gleich null. Die Kleine fing an wie wild zu hüpfen,  mit den Armen zu fuchteln und zu schreien. Super, der kleine Bruder dachte wohl, zweistimmig wäre doch viel spassiger und machte sofort mit. Für einen kurzen Moment schoss mir durch den Kopf, dass ich echt froh bin, dass meine Kinder gross sind. Reisen mit Kindern ist ja ohnehin schon eine Herausforderung. Reisen mit trotzenden Kindern ist eigentlich eine olympische Disziplin.

Die Mutter packte die Kleine am Arm, zog sie zum Buggy hin und schaute ihr tief in die Augen. „Hast Du nicht gehört, was ich gesagt habe?“ Vermutlich hätte es in etwa gleich viel gebracht, wenn sie das den Kühlschrank gefragt hätte. Die Kleine riss sich aus Mamas Klammergriff, ging zurück zu den Wundertüten und zerrte daran. „Nuuuur eiiiineeeee!!!“ Der kleine Bruder: „Jaaaa, ich auuuuuuuch.“ Inzwischen schauten alle Besucher des Kiosks leicht amüsiert dem Schauspiel zu. Zwei ältere Damen schüttelten im Vorbeigehen verständnislos den Kopf. Logisch – deren Kinder haben sicher nie getrotzt! Früher war ja ohnehin alles viel besser. Mir tat die überforderte Mutter inzwischen fast ein bisschen leid.

Ich verliess den Kiosk in Richtung Bahngeleisen und wartete dort auf meinen Zug. Dabei blätterte ich in meiner Zeitschrift und genoss die Ruhe. Ach ja: Habe ich euch eigentlich schon gesagt, dass im Zugabteil neben mir dann die Mama mit ihren Sprösslingen Platz nahm? Junior schwang siegessicher die blaue Tüte, die kleine Prinzessin diejenige in pink.  Zufriedene Gesichter und ein Sieg auf der ganzen Linie. Soll mal einer sagen, Trotzen nütze nichts. Geht doch!

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1 Kommentar

  1. senftopfherausgeber

    „Zwei ältere Damen schüttelten im Vorbeigehen verständnislos den Kopf. Logisch – deren Kinder haben sicher nie getrotzt!“

    Nee, damals gab es einfach noch keine Wundertüten in Pink oder Blau! 🙂

    Es sagt sich immer so leicht daher, dass man da hart bleiben und ja nicht nachgeben soll.
    Wenn das Kind im Brunnen liegt, dann liegt es eben dort, denn nicht die Konfliktsituation selbst ist das Problem, sondern sämtliche Nachgiebigkeiten und Erziehungsnachlässigkeiten im Vorfeld. Außerdem testen die Kinder…der kleine, babyspeckige Finger bohrt solange in der Wunde bis die elterlichen Nerven freigelegt sind.
    Funktioniert das einmal und noch einmal, funktioniert es unter Umständen immer.

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