von süss bis ungeniessbar

Totgesagte leben länger …

… oder wie man sich mit einer Schockdiagnose und dem Wort „unheilbar“ vier Jahre erkämpft.

Jap, genau vier Jahre ist es her, seit ich im Wartezimmer der Röntgenabteilung des Krankenhauses auf meinen Göttergatten wartete – und stattdessen von einem Arzt abgeholt wurde, der mir auf dem Korridor verkündete, dass es um meinen Mann ganz schlecht stehe und er noch nichts davon wisse. „Am besten informieren Sie ihn darüber, dass wir einen bösartigen Tumor gefunden haben; erfahrungsgemäss ist es besser, wenn das die nächsten Angehörigen machen.“

Ich weiss noch, wie um mich herum alles auf einmal ganz schummerig war – ich hatte das Gefühl, zu fallen … und keinen Boden mehr zu finden. Und ich war so unter Schock, dass ich dem Mann im weissen Kittel glaubte, was er mir damals gesagt hat. Heute weiss ich, dass er mir damit die grösste Bürde aufgeladen hat, die man einem Menschen nur aufladen kann. Und es sollte nicht die einzige bleiben …

Ich bin damals im Blindflug nach Hause gefahren, um all wichtigen Sachen für meinen Göttergatten zu holen … schliesslich hat man uns gesagt, dass er womöglich nie wieder nach Hause kommen würde. Und ich habe seither bei jeder gefährlichen Operation – bei jedem kritischen Vorfall – bei allen Eingriffen innerlich immer wieder versucht, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich möglicherweise ohne ihn nach Hause fahre.

Ich weiss, dass der Tag kommt … aber bislang kam er nicht – und wir kämpfen immer noch Seite an Seite um jeden guten Tag 🙂 Wir sind in den vier Jahren um so viele Erfahrungen und Erlebnisse reicher geworden, die wir damals nicht für möglich gehalten hätten. Man hat uns so viel prophezeit, und der Göttergatte hat genauso viel widerlegt!! Er hat seine eigene Statistik geschrieben – und auch wenn er morgen gehen müsste … er hat so verdammt viel geschafft, was kein Mediziner erklären kann. Wir waren unzählige Male noch in unserem geliebten Hamburg, wir sind durch Marokko gereist, er hat seinen Mustang mit Hilfe von Freunden restauriert, wir haben einen Neubau erstellt und wir sind die stolzesten Grosseltern unserer kleinen Zuckermaus geworden.

Leider hat uns nun Covid dazu gezwungen, die noch offenen Pläne zu begraben … aber auch wenn wir nun ziemlich „isoliert“ leben, so leben wir eben noch – GEMEINSAM! Wär hätte das damals gedacht? Ich nicht!

Wir hatten in den vier Jahren viel Zeit, um uns über alles, was nach dem Tod kommt, Gedanken zu machen. Und wir hatten auch genügend Zeit, um alles zu organisieren, was man gerne vor sich herschiebt, weil es unangenehm ist. Und diese Zeit haben wir uns erkämpft – gemeinsam, als Familie … und er als stiller Statistikverfälscher!!!

Egal was kommen mag: Lasst euch niemals von Statistiken einschüchtern … versucht, eure eigenen zu schreiben und … wenn der letzte Tag kommt, dann ist er da. Aber alle anderen Tage sind nicht die letzten und wollen gelebt werden. Im übrigen wissen wir zum Glück alle nicht, wann unser letzter Tag kommt, und das ist gut so. Wir haben gelernt, im Hier und Jetzt zu leben … denn morgen kann schon alles vorbei sein. Den gesunden Menschen ist das leider viel zu wenig bewusst. Geniesst jeden Tag, als ob es euer letzter wäre … dann lebt ihr 🙂

Bleibt gesund!

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22 Kommentare

  1. Regina (klatschmohnrot)

    Euch beiden alles Gute! <3

  2. Papageno

    Schön, eindrücklich und berührend geschrieben! Ich wünsche Dir und Deinem Göttergatten noch viel wunderbare gemeinsame Jahre! Herzlich grüsst Dich aus dem Adlerhorst Urs der Papageno <3

  3. Ingwer

    So schön! So schöööön!!!

  4. tierlifruend

    Ich habe gestern auf dem Spaziergang zu meinem Mann gesagt, jetzt sind es dann wohl bald 4 Jahre…und ich werde in einem Jahr sagen: „yesssss, das 5. Jahr ist auch geschafft!“
    Ich wünsche Euch weiterhin viel Kraft, damit Ihr niemals aufgebt 🙏🏼 Es ist unglaublich was man alles schaffen kann, wenn man ein Ziel vor Augen hat 💝 BITTE WEITER SO! Wir freuen uns auf viele gemeinsame, glückliche Jahren mit unseren Lieblingsmenschen ❤️👼🏼❤️

  5. Myriam Brotschi Aguiar

    Herz und Seele berührend. Gesundheit ist relativ, der Mensch ein Mysterium, der Wert eures gemeinsamen Erlebens nicht zu beziffern. Schön, dass dein Liebster der Statistik den Stinkefinger zeigt. Ich wünsche euch viele, viele, viele gute Tage.

  6. Kathrin

    Wunderbare Geschichte und wunderbare Worte. Das Wort „Wunderbar“ ist bewusst gewählt.
    Nicht immer verläuft es so wie man es sich wünscht 😢umso wundervoller und schöner wenn ihr noch viele schöne Jahre mitteinander habt. Diagnose hin- oder her. Aus tiefem Herzen alles Gute Dir und der ganzen wunderbaren Familie. 💗

  7. ...der Berliner

    Ich freue mich so sehr für Euer Glück, dass die Ärzte nicht recht hatten.
    Ich freue mich so sehr darüber, wie Ihr das Leben meistert. Leider lernt der Mensch erst in der Not, wie wertvoll das Leben ist und dass es keine Unendlichkeit gibt. Ich habe mir abgewöhnt, für die Zukunft zu denken. Ich will im Hier und Jetzt leben und genieße jeden Tag mit meiner Frau. Nicht, dass ich unsere Kinder und Enkelkinder nicht liebe, aber meine Frau ist mir irgendwie näher (also mit Recht gesagt: Meine zweite Hälfte). Es hört sich so abgedroschen an, aber ohne sie wäre ich nur noch ein Teil eines Ganzen. Da sie sehr krank ist, erfreue ich mich an jedem Tag, wo sie noch bei mir ist.

    Ich wünsche Euch von Herzen, dass Ihr zusammen noch ganz viele Jahre beisammen seid und noch ganz viele Dinge zusammen erledigen könnt!

    G. l. G. Jochen

    • modepraline

      Dann wünsche ich Dir genauso viel Kraft, wie wir sie brauchen … und auf dass ihr noch etwas Zeit gemeinsam habt 🙂

      • ...der Berliner

        Die Tage werden kürzer und die Jahre immer weniger !
        Das Ende steht bevor, nur der Himmel weiß, wann es da ist !

        G. l. G. Jochen

      • modepraline

        … so ist es …

  8. jost claudia

    sehr schön geschrieben! alles gute weiterhin 🙏🏼💕

  9. rodebel

    Dazu gibt es nichts mehr zu sagen, einzig Ihr seit meine Helden ever!❤

  10. Karin

    Sehr gut beschrieben. Wünsche alles Gute. Ich bin ein Mensch der in der Gegenwart webt.

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