von süss bis ungeniessbar

Coach gesucht für …

… Menschen mit komplexen Krankheitsbildern,
… Alleinstehende, die eine fatale Diagnose bekommen,
… Kranke, welche mit allem überfordert sind,
… Patienten, die sich im Dschungel der Medizin verirren,
… Menschen, deren Krankenakten ganze Bundesordner füllen,
… Schwerkranke, die keine Kraft mehr für kritische Fragen haben.

Eigentlich habe ich bis vor einigen Jahren geglaubt, dass wir in der Schweiz bestens aufgehoben seien, wenn ich an unser Gesundheitssystem und unsere hochkarätige Medizin gedacht habe. Seit knapp 6 Jahren weiss ich mit Sicherheit, dass dem nicht so ist. Und genau in dieser Zeit habe ich mich – autodidaktisch – zur Kampfsau an der Seite meines Göttergatten entwickelt.

Es ist nicht so, dass ich vorher ein scheues Rehlein gewesen wäre. Das war ich wahrlich nie. Ich bin nicht selten über meine eigene grosse Klappe gestolpert und habe mir mit zu vielen kritischen Fragen auch des öfteren mal eine Türe selber verschlossen. Rückblickend muss ich sagen: Ich bin froh um diese Gabe. Warum? Nun ja, ziemlich einfach:

Vor knapp 6 Jahren hat man meinen Göttergatten zum ziemlich schnellen Tod verurteilen wollen – mit einer Diagnose, die gemäss Statistiken und Erfahrungen ein langes Überleben unmöglich machen. Man sprach von wenigen Monaten. Die Reaktion des Göttergatten war: Vergesst es – ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selber gefälscht habe … drum schreibe ich meine eigene. Dann verschloss er sich vorübergehend für jegliche seelischen weiteren Verletzungen und konzentrierte sich auf sich und seine mentale Kraft.

Ich schnappte mir also meine Waffen und stellte mich mit ihm zusammen an die Front. Es gibt seit der Diagnose von damals keinen Tag, an welchem ich mich nicht über medizinische News informiere, mich in Studien einlese, Krankentagebuch führe, mich über Medikamente schlau mache, mich mit Spezialisten unterhalte, um Informationen kämpfe, die weiss gekleideten Götter (mit Ausnahmen) mit kritischen Fragen löchere, Akten vergleiche, Befunde hinterfrage, mit ihm von A nach B bis Z reise, um die richtigen Spezialisten für die richtigen Bereiche zu konsultieren und mich auf diese Gespräche vorzubereiten. Immer dabei: Die Unterlagen und das Tagebuch!

Rückblickend wissen wir, dass er mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Leben wäre, wenn wir nicht zum Duo-Infernale der Onkologie mutiert wären. Auf diesem Weg hat man uns soviel Unwahres erzählt, derart viele falsche Vermutungen geäussert, Informationen vergessen und folgenschwere unglückliche Sätze um unsere Ohren geschlagen, dass ich zur absoluten Kampfsau geworden bin.

Heute war wieder einmal ein Tag, an welchem wir – bei einer Besprechung mit dem Arzt unseres Vertrauens – einen Rückblick gewagt haben, um weitergehen zu können. Aus Erfahrungen lernt man ja bekanntlich und sie bringen einen weiter. Dabei habe ich die Frage in den Raum gestellt:

„Was passiert eigentlich mit Patienten, die alleine sind und die Kraft (warum auch immer) nicht haben, immer alles zu hinterfragen und sich selber um ihr Schicksal zu kümmern?“

Krasse Antwort gefällig?

„Die sterben, so einfach ist das!“

Solche Gespräche lassen uns nachdenklich und entsetzt zurück. Es ist also nicht so, dass alle die gleichen Chancen haben. Wer nicht die richtigen Fragen im richtigen Moment stellt, wird möglicherweise niemals die nötigen Antworten bekommen, um den Weg weitergehen zu können. Wer nicht unangenehm den Fuss in die Türe stellt, dem werden viele Türen wohl verschlossen bleiben. Wer alles glaubt, was man ihm sagt, der könnte schneller weg sein, als ihm lieb ist. Ganz besonders komplex wird es, sobald mehrere Ärzte verschiedener Disziplinen an einem Patienten ihr Wissen einbringen müssen, weil da unterschiedliche Baustellen sind, die es zu bearbeiten gilt. Informationen muss man sich nämlich holen – die werden nicht freiwillig weitergegeben. Ein medizinisches Politikum – und nicht selten ist es so, dass die hochkarätigen Koriphäen sich nicht um einen einzelnen Patienten bemühen, weil sie es nicht mehr nötig haben. Dafür stehen viel zu viele in der Warteschlange, die noch so gerne einen Termin hätten.

Mein Göttergatte meinte heute pragmatisch: „Das wäre ein Geschäftsmodell, welches man aufziehen müsste.“

Ja, da hat er recht – stellt sich nur mal wieder die Gretchenfrage, wer dafür Geld in die Finger nehmen würde, um Menschen als Patientencoaches auszubilden und diese dann auch bezahlt ihre Arbeit machen zu lassen. Eigentlich wäre es – meiner Meinung nach – ganz klar unser Staat, der intervenieren sollte. Abbau im Gesundheitswesen, Überstunden bis zum Umfallen, immer mehr administrative Tätigkeiten und und und … all das lässt es überhaupt soweit kommen, dass Ärzte keine Zeit, keine Lust und keine Kraft mehr haben, sich für den einzelnen Menschen einzusetzen. Ich möchte nicht wissen, wieviele Menschenleben so schon verkürzt wurden, weil sich keiner verantwortlich gefühlt hat.

Solltet ihr da draussen mit einer schlimmen Diagnose konfrontiert werden oder jemanden kennen, der im Dschungel der Medizin zu ertrinken droht: Sucht euch einen Kampfpartner, dem ihr zutraut, dass er euch begleitet. Nehmt die Hilfe an – auch wenn es manchmal schwer fällt. Es könnte bedeuten, dass dadurch Jahre gewonnen werden können, die man euch möglicherweise schon abgesprochen hat.

Ich wünsche allen Patient:innen eine Kampfsau an die Seite, die sich im richtigen Moment vor sie stellt und sich nicht scheut, sich auch mal sehr unbeliebt zu machen. Toi toi toi!!!!

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6 Kommentare

  1. sternchenschnuppe

    Gut so , ich kenne das seit vielen Jahren, bin deshalb rücksichtslos unhöflich und sehr direkt meinen Ärzten gegenüber … nur nicht abschütteln lassen , immer am Ball der medifront auf dem neuesten Stand sein. Alles Gute und lasst Euch nicht unterkriegen.. Sternchen..

  2. rummelschubser

    Ihr macht das schon super. Die Antwort vom doc ist schon ne Nummer. Hier wurde mir mal so oder so ähnlich mitgeteilt, dass ich ja schon weiß, dass mit der Erkrankung wenig Aussicht auf Heilung besteht „aber das wissen sie ja bestimmt schon“ 🤪😂

    Die Coaches gibt es teilweise in Selbsthilfegruppen lassen sich dann Patient advocates schimpfen. 🤫😉

    • modepraline

      Man müsste dieses Berufsbild kreieren und professionell betreiben – aber eben: Das liebe Geld! 💵

      • togetherbodenseeblog

        Ja, dieses Berufsbild wäre zwingend erforderlich und das nicht nur in der Schweiz…besonders schwierig wird es in der Tat bei komplexen Systemerkrankungen. Kaum zu bewerkstelligen für einen Menschen der schwerkrank und ohne Hilfe dasteht…Ich wünsche Euch alle Kraft der Welt, wohlwissend wie dringend man sie in einer solchen Situation braucht..

  3. ...der Berliner

    Was für ein Glück für Deinen Mann, Dich als seine Partnerin an seiner Seite zu haben.
    Ich wünsche Euch noch ganz viele und erfolgreiche Kämpfe!

    G. l. G. Jochen

    • modepraline

      Dankeschön – nun ja, seine mentale Stärke ist nicht zu toppen, aber die Kampfsau daneben macht eben auch einen wichtigen Job. Wir machen weiter! 🙂

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