von süss bis ungeniessbar

Lebensgeschichte ändern?

Der Göttergatte und ich haben neulich einen Tag in der City von Zürich verbracht. Spaziert – geguckt – gestaunt – gegruselt!!!

Ich kann euch nicht erzählen, was die Bahnhofstrasse bis hoch zum See in den Schaufenstern präsentiert – zu beschäftigt war ich, in all die verschnippelten Fratzen zu gucken. Wie praktisch, dass ich mich am Göttergatten festhalten konnte, ich hätte sonst vermutlich die eine oder andere Stange erwischt. Kennt ihr dieses Unfall-Gefühl? Man möchte nicht hinschauen, kann aber nicht anders. Man MUSS einfach glotzen!

Warum zum Geier will gefühlt die halbe Frauenwelt aussehen wie Kylie Jenner? Und dabei ist es egal, ob 18-jährig oder 60-jährig … im schlimmsten Fall kommen sogar Mutter und Tochter im Fratzen-Partnerlook. Ich habe mir überlegt, ob die zusammen zum Beautydoc rennen und sagen: „Bitte zweimal wie Kylie!“ Ob es dann Rabatt gibt?

Ein NoGo für mich. Ein Gesicht erzählt ein Leben. Jede Falte, jedes Grübchen, jede Unebenheit, jeder Fleck – all das sind Geschichten, die im Lauf der Jahre im Gesicht geschrieben stehen. Wie kann man einfach seine Lebensgeschichte um- oder gar wegoperieren lassen? Das ist, als ob ich ein Buch nehme und regelmässig ein paar Seiten rausreisse – neue Geschichte, die sich falsch und inkomplett anfühlt. WARUM?

Ich bin mit Schlupflidern geboren worden. Stell sich mal einer vor, ich hätte auf einmal Mandelaugen. Und ich habe Falten … ich meine: Ich bin ja auch bald 53 und Grosi. Stell sich einer vor, ich käme mit einem glattgebügelten Gesicht daher. Gruselige Vorstellung.

Ah, da war ja noch mehr, was mich glotzen liess: Die Tonnen von Farbe in den Gesichtern dieser Frauen. Da sind keine Konturen mehr … alles aufgefüllt mit Farbe. Und die Augenlider sind vermutlich je 2 Kilogramm schwer, in Anbetracht der falschen Wimpernpracht, die da klebt. Das Wangenrouge geht von den Ohren bis zu den Mundwinkeln und lässt die Gesichter sehr clownesk aussehen. Ich schätze mal, dass die Abends nicht sagen können: Ich putze mir die Zähne und geh ins Bett. Bei denen dürfte das etwas länger dauern und ohne Spachtel und Reinbenzin kaum zu bewältigen sein.

Was mir diese Gesichter erzählt haben? Vermutlich alle dasselbe:

  • mir ist langweilig
  • ich habe keine anderen Sorgen
  • ich will jemand anderes sein
  • viel Geld aber trotzdem unglücklich
  • alle tun es, also tue ich es auch
  • ich kann Hyaluronsäure zwar nicht buchstabieren – aber es wirkt trotzdem

Leider hat sich das Klischee der Zürcher (einheimisch oder ausländisch) mal wieder mehr als bestätigt. Und ich vergesse dort regelmässig, dass ich den Mund beim Glotzen schliessen sollte, damit ich nicht ganz so dämlich aussehe …

Leben ohne Geschichten

Jeder Mensch erzählt eine Geschichte, ob er will oder nicht. Er tut es mit seiner Haltung, seinem Gang und vor allem mit seinem Gesicht. Ich liebe es, Gesichter zu studieren und die Geschichten dahinter zu phantasieren. Jede Falte, jedes Funkeln, jede Farbänderung erzählt eine Geschichte. Und weil ich das so gerne mache, sitze ich auch liebend gerne in Café’s und gucke Menschen. Andere gucken TV – ich gucke Menschen.

Letzthin habe ich mit einer Freundin meinem Hobby gefrönt und habe „Menschen gucken“ in Zürich an der Bahnhofstrasse im berühmten Caféhaus der Firma Sprüngli gemacht. Und da musste ich eine traurige Entdeckung machen: Die Geschichten verschwinden 🙁
An deren Stelle treten Hyaloronsäure, Botox und Skalpell. Man könnte fast das kalte Gruseln bekommen. Im Zeitalter der Influencer und des Jugendwahns scheinen alle dieselbe Geschichte im Leben zu haben. (Meine Freundin hat gemutmasst, dass das eher bei allen einfach derselbe Beautydoc ist).

Falten werden mit Botox geglättet und Lippen mit Hyaloronsäure aufgespritzt – und die Nasen sind alle zu Näschen umfunktioniert. Man kann beinahe bis in die Nasennebenhöhlen gucken – so krass sind die Stupsnäschen. Grauenvoll! Altersklasse der „neuen Gesichter“? Durch das Band: von blutjung (18?) bis ins hohe Alter. Nur der Hals und die Hände lassen jeweils erahnen, wie alt die Person in etwa sein könnte.

Was erzählt mir ein Mensch, der rumrennt wie eine Plastikpuppe?

Mir fällt bei einem interessanten Gesicht immer der Alpöhi im Schweizerfilm „Heidi“ ein. Ein Gesicht, das ein ganzes Leben erzählt, mit Furchen und vom Arbeiten in der Natur die Haut gebraucht und spannend. Sommersprossen, Flecken und Unebenheiten; einfach alles, was zu einem Gesicht mit Leben dazugehört. Und was habe ich dabei noch gelernt? Ja, an der Zürcher Bahnhofstrasse meint man offenbar wirklich, man müsse aussehen wie die Sternchen aus dem Fernsehen. Mir ist das nämlich noch nie in diesem Ausmass aufgefallen, wenn ich in Bern in einem Café sitze und Menschen gucke. Auch in Hamburg oder in Luzern habe ich das noch nie so krass erlebt.

Und dann habe ich mein Gesicht studiert und mir überlegt, was man da alles optimieren könnte. Die Liste ist lang – sehr lang. Aber ich würde mich jedesmal zu Tode erschrecken, wenn ich im Spiegel einer Fremden begegnen würde. Da bleibt alles, wie es ist. Mit Falten, Alterswarzen (die kommen so langsam – ihr dürft ruhig lachen), mit Flecken und erschlaffender Haut. Aber wenigstens weiss ich, woher all diese Dinge kommen und was ich die letzten 51 Jahre alles erlebt habe. Mein Gesicht erzählt es nämlich.

Ob Plastik auch sprechen kann?

Alter?

Ich hab gelernt, dass man nicht lügen soll – zumindest nicht wissentlich. Die eine oder andere Notlüge ist zwischendurch erlaubt; aber auch nur, wenn es wirklich nicht anders geht. Und nun habe ich mir heute über folgendes Gedanken gemacht: Ich stand im Aufzug mit einer offensichtlich total restaurierten Dame (Renovation wäre für dieses Gesicht schon der falsche Ausdruck). Das einzige, was an diesem Gesicht noch lebte, war der affektierte Ausdruck der Augen. Sonst war da nicht mehr viel in der Originalversion. Ich hatte ein paar Stockwerke lang Zeit, sie eingehend zu studieren (um nicht zu sagen ANZUSTARREN) und mich zu fragen, wie man auf die Idee kommen kann, sein Gesicht derart umgestalten zu lassen. Weiterlesen

Schreiben von A – Z: K = Klotzen bis zum Kotzen

Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal über Silvester nicht zu Hause war. Diesen Jahreswechsel habe ich das erste Mal in der Ferne verbracht. Ich habe mir einen lang gehegten Wunsch erfüllt und war mit meiner Familie in Monaco. Das war eines jener Dinge, die ich im Leben einfach mal gemacht haben wollte. Vorgestellt habe ich mir, dass das Schaulaufen der Schönen und Reichen etwas ganz Besonderes sein muss. Nun ja, besonders war es: Besonders enttäuschend! Im Fernsehen sieht man immer diese schönen Bilder, diesen Glamour und diese Glitzerwelt. Inzwischen habe auch ich begriffen, dass es die Kameraeinstellungen sein müssen, welche diese wahnsinnigen Aufnahmen herzaubern – ich habe auf jeden Fall dieses glamouröse Monaco nicht gefunden. Was man mir im voraus schon gesagt hatte war, dass das monegassische Pflaster sauteuer sei. Wir haben in der Schweiz auch Ecken, wo man mehr bezahlt, als anderswo. Beispielsweise in Gstaad, St. Moritz oder an der Zürcher Bahnhofstrasse. Aber das Ausmass der Dekadenz dort ist nahe dem Gefrierpunkt im Vergleich zu Monaco.  Hattet ihr schon mal eine Cola für 15 Euro – serviert in der Dose? Ich hatte: Sieht aus wie Cola, schmeckt wie Cola und ist ganz einfach Cola. Ohne Gold- oder Silberverzierung, nichts Besonderes, eben nur teuer.
Seufz! Weiterlesen

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