von süss bis ungeniessbar

Eine fiese Vorstellung

Alle, die hier immer mitlesen, kennen meine Meinung zum Thema Impfen. Und ja, ich vertrete eine extrem klare und für viele Menschen unverständlich militante Meinung. Mit Ungeimpften will ich nämlich einfach nichts mehr zu tun haben. Ziemlich schnell erklärt.

Jene, die sich auf Biegen und Brechen einfach nicht vorstellen können, wie man so extrem sein kann, denen möchte ich folgendes für ihren Denkapparat mitgeben:

Stellt euch vor, ihr begleitet einen geliebten Menschen über Jahre auf einem schwierigen Weg einer unheilbaren Krankheit. Ihr tut dies im Wissen, dass jeder Tag ein Geschenk ist. Ihr tut dies auch im Wissen, dass die unfassbar hochentwickelte Medizin und Chirurgie das Leben dieses Menschen schon mehrfach retten und damit auch verlängern konnte. Dies sogar mit einer guten Lebensqualität. Und dann … kommt da auf einmal die Gewissheit, dass bei einem Vorfall zum jetzigen Zeitpunkt eine Rettung schlicht nicht möglich wäre, weil die einzigen beiden Krankenhäuser der Schweiz, welche die Apparaturen und die Chirurgen dafür hätten, leider ihre Intensivstation gefüllt haben mit Covidpatienten. 90% dieser Patienten sind ungeimpft. Im lapidaren Klartext würde das also bedeuten, ihr müsstet euren geliebten Menschen quasi „opfern“, weil dort ein Ungeimpfter einen Platz blockiert, der nicht hätte blockiert werden müssen.

Rattert es bereits im Kopf?

Alleine diese Vorstellung zieht mir den Magen zusammen und lässt mich innerlich kochen. Ich habe in meinen Albträumen schon Menschen die Beatmungsschläuche aus dem Hals gezogen, um meinen geliebten Menschen retten zu können. Ja, solche Gedanken kommen einem auf dem langen Weg einer unheilbaren Krankheit.

Ich für meinen Teil kann nur einmal mehr betonen: Wer sich bewusst und grundlos entscheidet, sich nicht impfen zu lassen, dürfte keinen Anspruch auf ein Bett der Intensivstation eines Krankenhauses haben. Da wäre ich knallhart. Es gibt nämlich ausser Covid jede Menge tödliche, gefährliche und fiese Krankheiten, welche für die Betroffenen einen Aufenthalt auf der Intensivstation nötig machen. Diese Patienten haben im Vorfeld die Wahl nicht, ob sie diese Krankheit bekommen möchten oder nicht. Sie werden davon einfach überfallen. Es gibt nämlich keine Impfung gegen Krebs, Herz-/Kreislauferkrankungen oder andere schlimme und bedrohliche Krankheiten. Bei Covid hat man die Wahl – man kann sich impfen lassen. Zwar ist man nicht 100 vor einer Ansteckung geschützt, aber der Krankheitsverlauf sollte zumindest so sein, dass man keinen Platz auf der Intensivstation braucht. UND DAS IST DOCH WOHL GRUND GENUG!!

Gibt es jetzt immer noch Leute da draussen, die es nicht verstehen??

10’000 Schritte …

Mein Verhalten hat sich seit Corona definitiv verändert – vor allem mein Outdoorverhalten. Bedingt durch klein Ellie war ich immer schon gezwungen, regelmässig an die frische Luft zu gehen. Als aber im letzten Jahr der erste Lockdown kam, da hat sich mein Outdoorverhalten zu einem Schrittzählverhalten umgewandelt. Und dafür ist nicht nur klein Ellie verantwortlich. Nein, auch meine liebe Mama.

Sie war immer schon die agilste und sportlichste in unserer Familie. Und sie ist auch die, mit der grössten Disziplin. Es gibt eigentlich keinen Tag, an dem meine Mama nicht mindestens ihre 10’000 Schritte auf dem Zähler hat. In aller Regel sind es weit mehr. Und je nach Laune spaziert sie diese Schritte, oder sie rennt beinahe (dann ist die Laune aber besonders schlecht …)!

So hat es sich ergeben, dass wir jeden Abend gemeinsam unsere Runde drehen. Ich kenne inzwischen Wege und Häuser in unserem Dorf, die ich vorher noch nie gesehen habe. Wir laufen zickzack durch unser Dorf. Und seit es abends wieder heller wird, gehören auch die regelmässigen Schwätzchen mit Dorfbewohnern dazu, die wir schon lange nicht mehr gesehen haben. Oder eben mit jenen, die wir regelmässig antreffen und grinsen, weil etwas fehlen würde, wenn wir sie NICHT treffen würden.

Im Laufe dieser Monate hat sich das Schwatzverhalten (ob dieses Wort überhaupt exisitert) sehr verändert. Es hat sich Corona angepasst. Zu Beginn der Pandemie war es üblicherweise so, dass man sich gegenseitig nach der Gesundheit erkundigte. Jetzt ist der zweite Satz in aller Regel: „Und, schon geimpft?“ 🙂

Wer hätte gedacht, dass Fragen wie: „Geht ihr in die Ferien?“ „Was machen Deine Kinder?“ „Hast Du eine neue Frisur?“ sich im alltäglichen Gespräch so einfach ersetzen lassen durch die simple Frage: „Und, schon geimpft?“ Krass, oder? Der kleine Pieks in den Oberarm ist im Moment in aller Munde und die Impfbereitschaft wird immer grösser. Überall häufen sich die stolzen Meldungen mit #teampfizer oder #teammoderna. Geimpft sein ist wieder „in“ und man spricht darüber. Wie cool ist das denn? Ich habe mir nicht vorstellen können, dass das einmal so sein würde. Nun ja, ich habe mir ja schliesslich auch nicht im entferntesten vorstellen können, dass wir einmal in einer Pandemie landen, die unser aller Leben total auf den Kopf stellt. Genauso wenig habe ich mir vorstellen können, dass ich einmal meine gegangenen Schritte zählen würde und dass ich ein schlechtes Gewissen haben könnte, wenn es einmal keine 10’000 sind.

Der Abendmarsch ist zum Ritual geworden – und er fehlt, wenn er einmal ausfällt. Auffallend dabei ist, dass – werden wir von unseren Männern begleitet – die Schwätzchen immer sehr viel kürzer ausfallen oder gar ganz wegfallen. Das würde bestätigen, dass Frauen lieber schwatzen. Und genau das finde ich im Moment unglaublich wichtig. Wir sind soziale Wesen und der Austausch mit anderen Menschen ist für uns elementar. Selbst wenn es nur ein Gespräch über das Unkraut im Garten ist (selbstverständlich erst nach der obligatorischen Frage nach der Impfung)! Corona hat es auch möglich gemacht, dass man plötzlich mit Menschen redet, die man vorher gar nicht wahrgenommen hat. Und ich habe bei jedem Schwatz das Gefühl, dass es allen gut tut zu merken, dass man nicht alleine durch diese Zeit geht. Wir sitzen alle im selben Boot und rudern mehr oder weniger fest. Deshalb wird bei uns weiter marschiert – hoch und runter, durch unser Dorf am schönen Jurasüdfuss.

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