von süss bis ungeniessbar

Leben ohne Geschichten

Jeder Mensch erzählt eine Geschichte, ob er will oder nicht. Er tut es mit seiner Haltung, seinem Gang und vor allem mit seinem Gesicht. Ich liebe es, Gesichter zu studieren und die Geschichten dahinter zu phantasieren. Jede Falte, jedes Funkeln, jede Farbänderung erzählt eine Geschichte. Und weil ich das so gerne mache, sitze ich auch liebend gerne in Café’s und gucke Menschen. Andere gucken TV – ich gucke Menschen.

Letzthin habe ich mit einer Freundin meinem Hobby gefrönt und habe „Menschen gucken“ in Zürich an der Bahnhofstrasse im berühmten Caféhaus der Firma Sprüngli gemacht. Und da musste ich eine traurige Entdeckung machen: Die Geschichten verschwinden 🙁
An deren Stelle treten Hyaloronsäure, Botox und Skalpell. Man könnte fast das kalte Gruseln bekommen. Im Zeitalter der Influencer und des Jugendwahns scheinen alle dieselbe Geschichte im Leben zu haben. (Meine Freundin hat gemutmasst, dass das eher bei allen einfach derselbe Beautydoc ist).

Falten werden mit Botox geglättet und Lippen mit Hyaloronsäure aufgespritzt – und die Nasen sind alle zu Näschen umfunktioniert. Man kann beinahe bis in die Nasennebenhöhlen gucken – so krass sind die Stupsnäschen. Grauenvoll! Altersklasse der „neuen Gesichter“? Durch das Band: von blutjung (18?) bis ins hohe Alter. Nur der Hals und die Hände lassen jeweils erahnen, wie alt die Person in etwa sein könnte.

Was erzählt mir ein Mensch, der rumrennt wie eine Plastikpuppe?

Mir fällt bei einem interessanten Gesicht immer der Alpöhi im Schweizerfilm „Heidi“ ein. Ein Gesicht, das ein ganzes Leben erzählt, mit Furchen und vom Arbeiten in der Natur die Haut gebraucht und spannend. Sommersprossen, Flecken und Unebenheiten; einfach alles, was zu einem Gesicht mit Leben dazugehört. Und was habe ich dabei noch gelernt? Ja, an der Zürcher Bahnhofstrasse meint man offenbar wirklich, man müsse aussehen wie die Sternchen aus dem Fernsehen. Mir ist das nämlich noch nie in diesem Ausmass aufgefallen, wenn ich in Bern in einem Café sitze und Menschen gucke. Auch in Hamburg oder in Luzern habe ich das noch nie so krass erlebt.

Und dann habe ich mein Gesicht studiert und mir überlegt, was man da alles optimieren könnte. Die Liste ist lang – sehr lang. Aber ich würde mich jedesmal zu Tode erschrecken, wenn ich im Spiegel einer Fremden begegnen würde. Da bleibt alles, wie es ist. Mit Falten, Alterswarzen (die kommen so langsam – ihr dürft ruhig lachen), mit Flecken und erschlaffender Haut. Aber wenigstens weiss ich, woher all diese Dinge kommen und was ich die letzten 51 Jahre alles erlebt habe. Mein Gesicht erzählt es nämlich.

Ob Plastik auch sprechen kann?

Augenbalken

Mit zunehmendem Alter wird selbst bei mir die Sache mit dem Schminken noch aktuell. Ich hatte bis vor kurzem nicht einmal ein Makeup zu Hause – und über einen grossen Pinsel verfüge ich immer noch nicht. Bei den meisten Schminkutensilien weiss ich nicht einmal genau, wozu man sie gebraucht. Wenn ich sowas mit nach Hause nehme, dann passiert das in der Regel in einem Wellnesshotel, weil ich dort gut beraten werde und man mir dann auch erklärt, wofür was zu gebrauchen ist. Ich wäre sonst in der Lage, Schuhcreme und Augenbrauenfarbe zu verwechseln.

Also: Die Sache mit den Augenbrauen werde ich wohl ohnehin nie verstehen. Es kann aber auch sein, dass mein Geschmack ganz einfach nicht dem der grossen Masse entspricht. Ich verfüge über natürliche und richtige Augenbrauen, wie man sich Augenbrauen eben vorstellt … oder, nein, falsch: Wie ICH mir Augenbrauen eben vorstelle. Sie werden weder gezupft noch gefärbt. Ich finde sie richtig so, wie sie eben sind. Lange haben die Frauen sich ja die Augenbrauen nur noch zu dünnen Strichen gezupft und diese dann irgendwann ganz abrasiert und einen dünnen Strich tätowiert. Gruselig.

Dann kam Cara Delevingne. Das Topmodel hat die üppige Augenbraue wieder salonfähig gemacht.

Bei Cara sieht das toll aus, denn ihre Augenbrauen sind natürlich und passen zum Gesicht. Die Kosmetikindustrie ist aber auf diesen Zug natürlich sofort aufgesprungen und überall werden nun Augenbrauenstifte, Pinsel, Farbtöpfe und eigens kreierte Behandlungen angeboten, die aus einer natürlichen Augenbraue einen fetten Balken zaubern. Ja, ihr Lieben da draussen: Zwei dicke Balken im Gesicht machen noch keine Cara Delevingne aus euch. Es sieht – mit Verlaub – einfach nur zum Schreien aus!

Habt ihr schon einmal versucht, einer Frau mit fetten schwarzen Balken im Gesicht in die Augen zu schauen? Unmöglich! Wenn ich in einem Geschäft von einer Beraterin betreut werde, die über diese unmöglichen Dinger verfügt, dann schaffe ich es nicht, meinen Blick von diesem Unglück auf der Strin wegzuwenden. Und leider haben heute fast alle (vor allem jungen) Frauen solche Dinger im Gesicht. Inzwischen gibt es sie auch in Fake (für Mädchen, die fast keine Augenbrauen haben) zum Ankleben, man kann sie implantieren lassen oder man kauft sich einfach eben einen fetten Stift und malt oder färbt sie auf die Haut. Sieht dann so ein bisschen aus, als ob ein kleiner Knirps mit dem Permanentmarker zugange gewesen wäre.

Warum muss Frau eigentlich immer an ihrem Gesicht rumdoktern? Ich werde nie kapieren, warum unsere Gesichter nicht einfach so gut sind, wie sie eben sind … ich lebe vermutlich einfach im falschen Zeitalter. Aber mit diesen Balken über den Augen werde ich mit meinen 50 Jahren nicht mehr rumrennen … schliesslich verfüge ich nach wie vor über KEINEN Pinsel im Bad. Und mit der WC-Bürste wird das mit der Augenbraue vermutlich nicht gut …

 

Die Lösung für schlechte Tage?

Da stand ich kürzlich mit meiner nicht biologischen Schwester (genannt Sis‘) in einer Parfümerie, um Nagellack zu kaufen, als der Verkäufer uns je eine Gesichtsmaske als Geschenk in die Hand drückte und meinte: „Wenn ihr morgens mal das Gefühl habt, dass das nicht euer Tag ist, dann benutzt diese Maske.“ Nun ja, wir haben ihn selbstverständlich gefragt, ob er uns einen Lastwagen voll davon mitgeben könnte – gegen den Novemberblues und so. Oder einfach gegen trübe Tage. War aber leider nicht möglich.

Heute habe ich dieses Wunderding also ausprobiert. Nach einer Nacht mit viel zu wenig Schlaf bin ich gerädert ins Bad gewatschelt und habe den Inhalt der kleinen Tube in meinem Gesicht verteilt. Der gute Mann hat uns gesagt, dass man das Zeug auf dem Gesicht behalten kann, weil es von selber einzieht. Man muss also die Maske nicht runterwaschen. War mir noch so recht – dazu hatte ich nämlich so gar keine Lust.

Mit einem weissen Gesicht sass ich beim Frühstück und mein Göttergatte guckte etwas irritiert. Männer! Schliesslich steckte ich alle Hoffnungen in dieses weisse Etwas. Ich würde danach frisch und munter durch die Welt tanzen – in meinen Gedanken zumindest.

Nach einer Stunde verspürte ich – entgegen meiner Erwartungen – auf einmal den unsäglichen Drang, mein Gesicht zu waschen, weil meine Haut zu ersticken drohte. Es fühlte sich fettig und klebrig an; zwar nicht mehr weiss, aber nicht angenehm. Also schrubbte ich die Crème runter und … was prangte da auf meinem Kinn? Ein hässliches und fettes Pickel! Das durfte doch nicht wahr sein. Der Mann hatte versprochen, dass diese Tube die Rettung für schlechte Tage sein würde. Hä? Mit einem fetten Pickel im Gesicht? Also ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mich nun dadurch besser fühlen würde – im Gegenteil: Ich hatte ungefähr fünf Minuten, um das hässliche Dings halbwegs vernünftig abdecken zu können.

Okay – wenn ich das nächste Mal in der Nähe besagter Parfümerie bin, werde ich dem netten Herrn Verkäufer sagen, dass Pickel meinen Tag nicht retten. Gesichtsmasken werden also auch künftig nicht in mein Beautyrepertoire gehören …

 

Bärte, Bärte und noch mehr Bärte

Trends kommen immer wie Wellen – und dann gehen sie wieder. Aktuell ist der bärtige Trend sowas von wellig, da bekommt man kaum noch Luft. Lange, dichte Vollbärte sind voll in und wenn möglich bitte noch so, dass auf dem Kopf eine Glatze glänzt. Ganz oben nackig (Fleischmütze) und im Gesicht die volle Dröhnung Haare. Ich weiss nicht so recht, was ich davon halten soll. Weiterlesen

Runzelgesicht

Kennt ihr auch einen richtig alten Menschen mit einem Gesicht voller Runzlen? Ich wünsche es euch. Ich kenne solche Menschen und … ich hatte ein solche Grossmutter. Und ich muss gestehen, dass ich immer wieder fasziniert bin von solchen Gesichtern.

Ich schaue gerne in eine Gesicht voller Falten, Furchen und Runzeln – ich finde diese Gesichter spannend und lebendig. Und ich stelle mir immer vor, wie jede dieser Runzeln eine Geschichte erzählt. Ein Gesicht verändert sich schliesslich im Verlauf des Lebens und selten ist in einem alten Gesicht noch etwas aus der Babyzeit zu erkennen – ausser vielleicht das Leuchten in den Augen, wenn die Zufriedenheit eines erfüllten Lebens da ist. Was gibt es schöneres, als mit einem lebendigen und unperfekt perfekten Gesicht eine ganze Geschichte zu erzählen. Ein faltiges Gesicht ist doch eigentich wie ein Buch. Jede Falte ein Kapitel! Und je älter man wird, umso mehr Kapitel hat das Buch. Ein wahres Wunderding. Weiterlesen

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