von süss bis ungeniessbar

Parkfelder

Seit 30 Jahren bin ich Autofahrerin. Und auch genauso lange habe ich noch nie einen Unfall verschuldet – touch wood! Ich fahre seit Jahren immer grosse Autos, weil ich mich darin einfach sicherer fühle. Ich brauche das Gefühl, um mich herum viel Carrosserie zu haben, die mich schützt. Dazu muss ich weit oben sitzen, um mich nicht erdrückt zu fühlen, wenn ich andere Fahrzeuge überhole.

Nun haben sich aber in letzter Zeit entweder die Parkfelder allesamt gegen mich verschworen, oder mein Auto ist gewachsen. Nun ja, es könnte auch sein, dass meine 3D-Wahrnehmung sich mit jedem weiteren Jährchen verschiebt. Tatsache ist, dass diese blöden Parkfelder sich bei meinen Parkmanövern ständig dagegen wehren, ruhig liegenzubleiben. Kaum bin ich mir zu 100% sicher, dass ich mit meinem Wagen nun endlich innerhalb der Streifen stehe, hüpfen diese wieder 30 cm nach rechts oder links. Manchmal sind die Dinger beim Springen so dreist, dass ich aussteige und gleich auf zwei Parkfeldern stehe – und das, obwohl ich mein Auto ganz eindeutig nur in ein Feld manövriert habe … und zwar zielsicher.

Ich frage mich tatsächlich, wie sowas möglich sein kann. Seit Jahren fahre ich den gleichen Fahrzeugtyp. Vor kurzem habe ich einfach auf das neue Modell gewechselt und dabei hat sich in der Grösse nichts verändert. Vorher hat es mit dem Parkieren doch auch funktioniert. Warum zum Geier geht es jetzt auf einmal nicht mehr? Es kann doch nicht sein, dass ich mich zum Vollhorst entwickelt habe! Magie? Hexerei?

Ich schüttle regelmässig selber den Kopf, wenn ich aussteige und mal wieder mein Auto bestaune, das locker zwei Parkfelder in Beschlag nimmt, obwohl ich es mit Sicherheit nur auf eines gestellt habe…

Schilderwald

In der Schweiz stehen bald schon die Nationalratswahlen an. Das bedeutet, dass die Autofahrt ins Grüne in den nächsten Wochen einer Fahrt durch den Schilderwald entspricht. Die Strassenränder sind gespickt mit Wahlplakaten, die sich in ihren Farben, Formen und Grössen einen Wettkampf liefern. Der Wahlkampf findet also nicht nur auf dem Politparkett statt, sondern definitiv auch auf der Strasse.

Ich bin immer wieder überrascht, dass in der überreglementierten Schweiz, wo eigentlich jede Kleinigkeit per Gesetz festgehalten ist, dieses Plakatwettkämpfe erlaubt sind. Es gibt Strassenabschnitte, wo der Blick auf die Strasse beinahe unmöglich wird. Alle paar Meter steht ein Schild, welches das vordere zu toppen versucht. Die einen sind so hoch, dass sie die Sonne verdecken, andere sind breiter als die Häuserlandschaft dahinter. Die Konterfeis auf den Plakaten werden also künstlich entweder in die Höhe, oder in die Breite gezogen und es wird derart um die Wette gegrinst, dass Pepsodent und Colgate mit ihren Werbungen einpacken können.

Am besten sind aber die Wahlslogans, welche einen doch schon sehr vom Strassenverkehr ablenken. Entweder, weil sie in ihrer Kreativität in etwa so toll sind wie eingeschlafene Füsse, oder aber weil sie so aggressiv sind, dass man glatt das Bedürfnis hat, das Schild umzufahren.

Im Moment sind also Wegbeschreibungen in der Schweiz sehr besonders. Es heisst nicht mehr: „An der zweiten Kreuzung biegst Du links ab, dann fährst Du bis zu der riesigen Eiche. Dort siehst Du den Parkplatz, auf welchem Du Dein Auto abstellen kannst.“ Nein – aktuell lautet die Beschreibung eher: „Bei der 3. Plakatwand mit dem Typen mit der Knollennase biegst Du links ab, dann fährst Du bis zu jenem Schild mit den überdimensionierten roten Buchstaben drauf. Dort siehst Du, wenn Du Glück hast, den Parkplatz, auf welchem Du parkieren kannst.“

Ich warte auf den Tag, an welchem die Wahlplakate noch an den Ampeln montiert werden…

© 2024

Theme von Anders NorénHoch ↑