von süss bis ungeniessbar

Nominieren bis zum Erbrechen

Auf Facebook ist das Nominierungsfieber ausgebrochen. Anfangs waren es nur so ein paar komische Nominationswellen, die über die Plattform schwappten. Jetzt sind es wahre Lawinen, die Facebook überrollen. Und die Einfälle werden weiss Gott nicht kreativer. Da wird man nominiert, um Fotos zu posten …

…wenn man seine Tochter liebt…
…wenn man seinen Sohn liebt…
…wenn man stolze Mama ist…
…wenn man stolzer Papa ist…
…wenn man Tierschützer/in ist…
…wenn man gegen den Krieg ist…
…wenn man Bücher liest…
…etc. etc. etc. …

Und dazu wird man natürlich noch aufgefordert, fünf weitere Menschen zu nominieren. Das Ganze hat sich zu einer wahren Seuche entwickelt. Und ich mag keine Seuchen. Ich werde zum Glück kaum noch nominiert, weil ich NIE mitmache. Auch dann nicht, wenn man etwas gewinnen könne! Jene, die dieses Märchen noch glauben, tun mir besonders leid.

Ich erfülle alle Kriterien, um nominiert zu werden. Dafür muss ich aber bei diesen Lawinenaktionen nicht mitmachen. Und ich habe bis heute nicht kapiert, was diese Aktionen bringen. Oder wem sie etwas bringen.

Besonders dreist finde ich jene, die vorgeschriebene Posts (mit gefühlt 100 Schreibfehlern) veröffentlichen, welche an das Gewissen der Mitleser/innen appellieren. Und der Inhalt dieser Posts ist in meinen Augen ethisch nicht vertretbar. Da soll man, wenn man auch Mitleid mit Menschen hat, die Krebs haben, diese vorgetippten Texte unbedingt kopieren und auf seinem Profil posten. Oder aber besonders dann, wenn man schon jemanden an diese fiese Krankheit verloren habe. Was soll das?

Ich verstehe bei solchen Aktionen nur Bahnhof und bin immer wieder überrascht, wieviele diesen Mist mitmachen. Tut das dem Gewissen gut? Ich werde es nie kapieren…

Shitstorm

Ständig hört man das Wort Shitstorm irgendwo. Ich habe letzthin überlegt, was dieses Wort eigentlich bedeutet. Scheissesturm! Igitt! Man stelle sich mal vor, der wunderschöne Winterschneesturm wäre anstatt mit Schnee mit Scheisse. Oh weia – das wäre eine ganz schön hässliche Geschichte. Diese Sauerei und der Gestank, nicht auszudenken! Aber vielleicht heisst das Phänomen deshalb Shitstorm!? Wegen der Auswirkungen?

Ein Shitstorm ist bekanntlich eine Lawine an negativen Kommentaren auf eine Person oder deren Haltung im Netz. Am meisten davon betroffen ist in der Regel Facebook, Twitter und Co. Wenn also jemand eine Äusserung kund tut, welche heikel ist und den Lesern nicht passt, dann kann er damit einen üblen Shitstorm auslösen. Und wenn es sich dabei noch um einen Promi handelt, dann ist ein Shitstorm noch viel schneller am Start. Da reicht schon ein falsches Wort in einem Satz und die Lawine rollt unaufhaltsam. Nicht selten müssen deswegen ganze Profile gleich gelöscht werden, weil die Schimpftiraden dann ein Ausmass annehmen, welches unerträglich sein kann.

Früher gab es dieses Phänomen auch schon, nur nannte man es nicht Shitstorm, sondern Hetzjagd. Und es fand nicht auf den sozialen Netzwerken mit Kommentaren statt (denn diese gab es noch nicht), sondern mit Intrigen, Schmäh, Verleumdungen und „Steine in Nachbars Garten“ schmeissen. Oder mit Sprayereien an die Hauswand der Betroffenen. Ja, irgendwie war der Shitstorm von heute die Spraydose von früher – oder so ähnlich.

Es ist beängstigend, wie sehr sich mit den sozialen Netzwerken die mutigen Klappenaufreisser vermehrt haben. Früher war das in diesem Ausmass nicht möglich, denn man musste noch selber hinstehen. Und da verliess die meisten dann doch der Mut. In die Tasten hauen ist eben halt doch viel einfacher. Ziemliche Warmduscher, diese Shitstormer … oder Shitstürmer … oder wie auch immer!

Teile dieses Bild…

…wenn Du stolz auf Deinen Sohn bist,

…wenn Du Deine Tochter liebst,

…wenn Du Deine Mutter gern hast,

…wenn Du Deinen Vater bewunderst,

…wenn Du für Deine Familie durchs Feuer gehen würdest,

…wenn …wenn …wenn …wenn!

Auf Facebook ist die „Teile dieses Bild, wenn…“-Seuche ausgebrochen. Da werden massig Bilder mit solchen Sprüche gepostet. Und ich frage mich, was das soll! Wohlverstanden: Ich bin stolz auf meinen Sohn, liebe meine Tochter, habe meine Mutter gern, bewundere meinen Vater, gehe für meine Familie durchs Feuer und … TEILE DIESE BILDER TROTZDEM NICHT!!! Ich wüsste nicht, warum!

Unterschwellig klingen solche Botschaften für mich immer so ein bisschen wie ein Vorwurf. Wer nicht teilt, liebt also nicht. So in etwas kommt das nämlich bei mir an. Funktioniert wie das Schneeball- oder Kettenbriefsystem. Weiterschicken oder es passiert was! Ich mag das nicht und habe deshalb auch noch nie ein solches Bild geteilt. Und ich verstehe den Sinn dahinter nicht. Aber vermutlich verstehe ich noch hinter vielen Aktionen auf Facebook, Twitter, Instagram und Co. den Sinn nicht. Entweder, weil ich zu kritisch bin – oder weil es ganz einfach total sinnfrei ist. Möglicherweise bin ich auch einfach zu doof. Das könnte natürlich auch sein. Aber im Moment ist es fast ein bisschen wie eine Lawine, die da über Facebook rollt. Lauter „Teile“-Bilder, die tagtäglich an den Pinwänden hängen.

Besonders schrecklich finde ich übrigens jene, die verhungerte Tiere zeigen und wo in fetten Lettern dabei steht: „Teile dieses Bild, wenn Du dafür bist, dass Tiere auch ein Recht auf Leben haben.“ Hä? Jeder halbwegs vernünftige Mensch mit dem IQ eines Meerschweinchens weiss, dass jedes Tier ein Recht auf Leben hat. Dafür muss man doch kein Bild mit verhungerten Tieren „teilen“. Solche Bilder mit dieser Aufforderung sind eine Beleidigung, wie ich finde!

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