von süss bis ungeniessbar

Eine „Religion“ gehört nicht auf die Kassenliste

… und wieder geht sie los, die Diskussion um die Zuckerchügeli mit Wasser, welche von den Krankenkassen bezahlt werden. Es existiert nicht eine einzige Studie, welche die Wirksamkeit der Globulis belegt – und trotzdem wird das weisse Streuselzeug von der Krankenkasse übernommen. Und erst noch von der Grundversicherung – würg!

https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Sollen-Schweizer-Globuli-wieder-selbst-bezahlen–269798

Die Befürworter der Chügeli-Religion haben das Gefühl, dass es nur Verlierer gebe, wenn man die Globulis wieder von der Kassenliste nimmt, weil die Prämien trotzdem nicht sinken würden. Falsch! Die Prämien sinken zwar nicht; stattdessen könnten es wirksame Medikamente auf die Liste schaffen, welche im Moment noch in der Warteschlaufe stehen. Warum? Weil wieder Gelder frei würden. Im Moment ist es nämlich so, dass die Kosten explosionsartig in die Höhe schnellen.

Ich kämpfe seit fast drei Jahren mit meinem Herzmenschen auf dem Onkoplaneten um sein Leben. Und was wir in dieser Zeit alles erlebt haben, das würde locker mehrere Bücher füllen. Ich habe mich im medizinisch-onkologischen Bereich in dieser Zeit derart eingelesen und engagiert, dass ich mir beinahe einen „Dr. med.“ an mein Shirt hängen könnte. Und ich engagiere mich mit aller Kraft in der Krebsforschung. Ich verabscheue jegliche Art von Scharlatanerie, welche den Patienten ungerechtfertigte Hoffnungen macht, die dann bitterlich zerschlagen werden. Und dazu gehört die Chügeli-Brigade. Es gibt nämlich sogar Globuli-Anbeter, die tatsächlich behaupten, dieser Mist heile Krebs. Da bekomme ich Ausschlag!!! Das ist, als ob ich einem Querschnittgelähmten versprechen würde, dass er am Ende des Jakobswegs aus seinem Stuhl steigt und davonrennen kann – totaler Blödsinn!

Auf unserem harten Onkoweg habe ich auch etliche Betroffene kennengelernt, denen wichtige Medikamente verwehrt bleiben, weil sie nicht auf der Kassenliste stehen und demzufolge nicht bezahlt werden. Es handelt sich dabei um Medikamente, deren Wirksamkeit mit fundierten Studien belegt sind. Nicht selten handelt es sich sogar um Medikamente, welche in unseren Nachbarländern schon lange auf den Kassenlisten stehen, bei uns aber immer noch warten. Was für ein Hohn, wenn ich daran denke, dass Herr und Frau Globuli vom Homöopathen ihre Dosis Zucker bezahlt bekommen, während schwerkranke Menschen nicht an wichtige Medikamente kommen. Hä? Falscher Film oder wie?

Jap – ich weiss … die Modepraline macht sich mal wieder eine Menge Feinde. Das macht aber nichts! Ich werde nicht aufhören, mich gegen diese bescheuerten „Pseudomediziner“ zu wehren und dafür zu kämpfen, dass wirksame Medikamente definitiv Vorrang haben vor diesem unwirksamen Schrott. Und dazu gehören genauso die unzähligen heilenden Steine, Duftessenzen, Klangtherapien und Säfte … die Liste würde endlos lang, wenn ich alles aufzählen würde. Zum Glück sind die nicht auch noch alle auf der Kassenliste.

Sollte hier ein Globuli-Fan mitlesen, der mir nachweislich eine Wirkung bringen kann, die definitiv auf seine Chügeli zurückzuführen ist, dann trete er vor oder halte für immer den Schnabel und belaste unsere Kassen nicht mehr!

 

 

 

Lieb gemeint …

… aber nein danke 🙂

Seit Jahren lesen unendlich viele liebe Menschen auf meinem Blog mit, was in meinem Leben passiert. Und da ich nicht „Trude Rosarot“ bin, schreibe ich auch über das unschöne Kapitel mit dem Krabbenvieh, welches meinen Mann belagert. Ich stelle hier keine Diagnosen oder Therapien online – das ist und bleibt privat. Aber das Leben mit dem Krabbenvieh gehört leider nun auch zu unserem Leben mit dazu. Daran lässt sich nicht rütteln.

Es ist wunderbar, wieviele liebe Menschen da draussen uns Kraft senden, mit uns leiden, mit uns bangen und sogar ihre Hilfe anbieten. Danke dafür!!

Was ich aber hier nun doch einmal loswerden möchte, ist folgendes: Wir sind in der Theamtik der Krankheit absolut versierte Kämpfer – und Wunder geschehen in Grimms Märchen, aber in der Onkologie leider eher selten. Ach ja: Krebs ist nicht gleich Krebs, das kommt noch dazu.

Wer uns also wirklich beistehen möchte, der tut das am besten mit lieben Gedanken, mit Zuhören, mit normalem Verhalten und manchmal auch einfach mit dem Satz: „Ich verstehe und kann nicht mehr sagen als: RIESENSCHEISSE!“ Jap, das trifft es nämlich sehr genau. Oder auch einfach: „Ich bin da, wenn ihr mich braucht.“ Danke dafür!!!

Was uns gar nichts nützt sind irgendwelche Angebote zur Fernheiliung, Klangschalengedöns, Tipps über Randensaft, umprogrammiertes Trinkwasser oder weiss der Geier was es da noch an abstrusen Ideen gibt. Nein danke! Und auch die Tatsache, dass offenbar ganz viele da draussen meinen, jemanden zu kennen der genau dasselbe hatte (faktisch unmöglich) und der dann mit dem Jakobsweg, einer Wünschelrute oder einem Tanz im indischen Regen geheilt wurde, macht mich eher sauer, als dass es nützt. Wir tun ALLES, was man in unserer Situation tun kann … versiert, fundiert, in Zusammenarbeit mit Fachleuten, die ihr Wissen jahrelang studiert haben und mit unserem guten Bauchgefühl, welches uns hilft, unseren Weg zu finden. Und keiner kennt das Krabbenvieh besser als wir – denn wir leben seit bald 2 1/2 Jahren mit ihm und seinen hinterlistigen Tricks. Ihr dürft also getrost glauben, dass Chügeli, Säfte und Co. diesem Mistvieh nicht einmal ansatzweise Eindruck machen.

Sollte ich jetzt jemanden beleidigt haben, so möchte ich betonen, dass das nicht meine Absicht ist. Ich denke, dass ihr versteht, was ich euch sagen möchte.

Wir sind eine starke, pragmatische, rationelle, emotionale aber sehr realistische Familie. Unsere mentale Stärke nehmen wir aus der Liebe und dem Zusammenhalt unserer Familien- und Freundesgemeinschaft … und vor allem ist der Göga unser grosses Vorbild in Sachen Kämpfen mit der Kraft der positiven Gedanken. Wir möchten dies ohne liebgemeinte Ratschläge von aussen – dann kann ich hier auch ohne schlechtes Gefühl weiterschreiben.

Eine Danke an alle für das Verständnis! 🙂

Lachen erlaubt

Krebs ist ein Arschloch! Da sind wir uns wohl alle einig. Jeder, der in irgendeiner Form von Krebs betroffen ist weiss, was ich meine. Egal, ob selber Patient oder ob Begleitperson – das Krabbentier ist hinterlistig, unberechenbar und fies. Und bei einer Diagnose mit dem Begriff „unheilbar“ vergeht einem erst mal das Lachen.

Im Verlauf der Krankheit muss man irgendwie lernen, hin und wieder trotzdem mal zu lachen. Lachen entspannt, ist gesund und gibt dem Gehirn den Impuls, Endorphine (Glückshormone) auszuschütten. Ohne diese ist das Leben zwar zu bewältigen, macht aber nicht wirklich viel Sinn. Wir kämpfen nun seit über zwei Jahren gegen das Krabbentier, welches bei meinem Göttergatten diverse Zimmer bezogen hat. Und wir versuchen (mal mit mehr oder weniger Erfolg), das Leben trotzdem nicht immer ganz so ernst zu nehmen. Und da gehört auch mal eine gehörige Portion Galgenhumor und Lachen dazu.

Wieder einmal ganz eindrücklich erlebt haben wir dies heute im Wartezimmer der Onkologie. Normalerweise sitzen die Menschen dort betrübt, still und mit starrem Blick ins Leere oder auf den Boden. Die Stimmung lädt nicht gerade zum Tanzen ein, was absolut verständlich ist. Es wird aber auch nicht einfacher die Krankheit zu ertragen, wenn man sich und der Umwelt das Lachen verbietet. Und so kommt es des Öfteren mal vor, dass ich mit jemandem im Wartezimmer ins Gespräch komme. Daraus entwickeln sich nicht selten ganz lustige Episoden, welche schlussendlich alle zum Lachen verleiten. Und schwupp, steigt die Stimmung von eisigen unter null Grad in eine erträgliche Höhe.

Ich sage nicht, dass Krebs lustig sei – absolut nicht. Im Gegenteil. Die Krankheit wirft eine Familie ganz schön aus der Bahn und verlangt allen viel ab. Allen voran dem Patienten – den Angehörigen aber oft nicht weniger. Und deshalb ist es wichtig, dass man auch mal lachen darf. Viele Menschen meinen, bei Krebspatienten einfach nicht mehr lachen zu dürfen, weil es pietätlos sei. Das ist totaler Quatsch! Es hilft einem Patienten nicht, wenn er schon krank ist und ihm alle nur noch mit Mitleidsgesicht oder Trauermiene begegnen.

Die Krankheit ist allgegenwärtig – 24 Stunden am Tag. Das bedeutet aber nicht, dass man 7 Tage die Woche nur noch trauern muss. Man darf auch mal unbeschwert lachen – dem Krebs ist das nämlich ohnehin egal. Oder nein: Der freut sich, wenn man sich nicht mehr zu lachen traut. Er ist nämlich ein Arschloch. Je mehr man die Kraft hat, sich trotz erschwerter Lebensumstände zu freuen und zu lachen, umso schlechter fühlt sich das Krabbentier in seiner Wohnung. Und was ist genialer, als dem hinterlistigen und ungebetenen Untermieter das Leben so unangenehm wie möglich zu machen?

Go for it – Weinen erlaubt und gehört dazu … Lachen aber auch! 🙂

 

Krankes Gesundheitssystem

Nach zwei Jahren intensivem Lebenskampf an der Seite meines Göttergatten wissen wir eines mit Sicherheit: Unser Gesundheitssystem ist krank, sehr krank! Wenn man von einem Tag auf den anderen auf den Onkoplaneten katapultiert wird, hat man zwei Möglichkeiten:

Entweder, man macht sich selber ganz schnell schlau und wird zur Kampfsau an der medizinschen Front …

… oder man stirbt irgendwo auf dem Weg zwischen Paragraph 456 von Krankenhaus A  zu Pragraph 895 von Krankenhaus B.

Klingt krass? Ist es auch!

Je komplexer eine schlimme Krankheit ist, umso schwieriger wird der Kampf. Sobald mehrere Spitäler involviert sind, darf man sich eigentlich keine Sekunde mehr in Sicherheit meinen. Die Abläufe und Wege sind schon innerhalb eines einzigen Krankenhauses kompliziert und oft einfach nur unverständlich. Wenn es aber dann zwischen mehreren Krankenhäusern und den verschiedenen Ärzten funktionieren sollte, dann ist man – mit Verlaub – ohne eigene Koordinations- und Organisationsstelle aufgeschmissen. Es lässt sich leider nicht vermeiden, dass bei gewissen Krankheitsbildern mehrere Krankenhäuser involivert sind, da nicht jedes Krankenhaus jedes Fachgebiet abdecken kann. Und dann fängt der Irrgarten der Medizin und damit das Labyrinth für den Patienten an. Ein Labyrinth, aus welchem ein sehr kranker Mensch alleine gar nicht mehr rausfinden kann. Da braucht es Unterstützung.

Wir haben ganz zu Beginn unseres Lebens mit dem fiesen Krabbentier vom Onkodoc unseres Vertrauens etwas sehr Wertvolles gelernt: Ordner anlegen – keine Sprechstunde oder Untersuchung verlassen, ohne die Dokumente nicht in der Hand zu haben – alles sammeln und immer bei sich tragen. Das war das Beste, was wir in Anbetracht der ziemlich beschissenen Situation lernen konnten.

Zusätzlich führe ich ein medizinisches Tagebuch seit Tag 1. Medikamente, Operationen, Untersuchungen, Bildgebungen, Aussagen von Ärzten … alles halte ich fest. Niemals könnte man sonst alles im Kopfe behalten und koordinieren. Und wer nun intervenieren will mit: „Aber das ist doch der Job der behandelnden Ärzte“, dem muss ich leider sagen: „Es WÄRE deren Job, richtig. Die Realität sieht aber anders aus!“

Wir haben Ausnahmen erlebt, die gibt es zum Glück auch. Aber die Mehrheit der Spitalärzte arbeiten mit dem Tunnelblick ihres „Hoheitsgebietes“ … und machen keinen auch noch so kleinen Blick darüber hinaus. Oft wird sogar lieber gegeneinander, als miteinander gearbeitet – das Opfer ist der Patient. Wir machen als Familie seit zwei Jahren einen Intensivlehrgang in Onkologie, pharmazeutische Wissenschaft, Juristik, Radiologie, Radioonkologie und sämtlichen Notfallszenarien und deren Abläufen.

Und dabei frage ich mich: Was wäre, wenn wir als Familie nicht in der Lage wären, all das zu verstehen, zu tragen und uns immer wieder für den Patienten stark zu machen? Oder anders gefragt: Was macht ein Patient, der keine Familie oder kein Netzwerk hat? Wenn ich den Gedanken zu Ende denke, dann wird mir schlecht. Zumal die Ärzte, wenn man sie darauf anspricht, um diese Missstände wissen und finden, dass das leider trauriger Alltag und nicht zu ändern sei! Hä??? Wir sprechen hier von Menschen – nicht von Fallakten!

Ob es auch ein Studie darüber gibt, wieviel Fallakten vorzeitig geschlossen wurden, weil die Zusammenarbeit der dringend benötigten Stellen nicht funktioniert hat? Wohl kaum – das Resultat wäre bestimmt nicht sehr aufbauend in Anbetracht der Tatsache, dass wir hier in der hochtechnologisierten und medizinisch gut aufgestellten Schweiz leben …

Ich wünsche allen, dass sie gesund sein, bleiben oder werden dürfen – alles andere ist nämlich ziemlich gefährlich (in jeglicher Hinsicht) und ich werde den Beliebtheitsaward in den Krankenhäusern nicht mehr gewinnen – das ist aber ganz okay so: Ich sehe nämlich in einem weissen Kittel noch keinen Gott!!

Wenn die Panik im Nacken sitzt

Die treuen Leser-/innen wissen es alle: Die modepralinsche Familie lebt seit 18 Monaten auf dem Onkoplaneten. Das fiese Krabbentier hat sich beim Göttergatten eingenistet und offenbar beschlossen, dort freiwillig auch nicht mehr auszuziehen. Zwar haben wir dem Hauptübeltäter per operativem Eingriff den Garaus gemacht – also quasi eine Zwangsräumung vollzogen. Blöderweise hat das Mistvieh aber schon seine halbe Familie im Körper des Göttergatten zum Wohnen eingeladen und so bleibt das Leben ein Kampf. Es gibt inzwischen eine Menge Krebszellen, die mit Therapien zu töten sind. Leider hat sich aber ein besonders fieser Geselle meinen Göttergatten als Träger ausgesucht … er scheint untötbar. Mit viel Chemie ist er bislang zumindest daran zu hindern, noch mehr Junge zu fabrizieren. Aber ganz zur Wohnungsräumung konnte das Krabbentier nicht bewogen werden.

Und so kommt es, dass der Göttergatte medizinisch streng überwacht und regelmässig durchleuchtet wird, um zu sehen, was die fiesen Ableger alles anzustellen versuchen. Das braucht Kraft. Für meinen Herzmenschen braucht es sowohl körperlich als auch mental eine unfassbare Stärke, um nicht durchzuhängen oder in Panik auszubrechen. Für uns rund um ihn herum ist es vor allem ein psychischer Kraftakt. Jeder geht anders damit um. Ich für meinen Teil habe an Tagen, an welchen grosse Untersuchungen anstehen und wir auf das Resultat warten müssen sämtliche Symptome, die das Wählen der 144 rechtfertigen würden. Mein Herz rast, stolpert und macht mir das Atmen schwer. Auf der Brust liegen gefühlt zwei Tonnen und im Nacken sitzt ein Teufel, der mich alle paar Minuten daran erinnert, dass demnächst eine Nachricht ankommen wird. Ob es eine gute, oder eine schlechte Nachricht ist, weiss man nie. Und das macht das Warten schier unerträglich. Sich auszumalen, was denn nun sein wird, wenn es schlechte Nachrichten sind, macht einen kaputt. Zumal man es sich eigentlich gar nicht ausmalen kann. Schon mehr als einmal erlebt weiss ich inzwischen, dass man sich auf diese Szenarien nicht vorbereiten kann. Sie erwischen einen immer wieder mit voller Wucht! Bei guten Nachrichten hört man regelmässig die Steine, welche von der Brust rollen und zu Boden donnern. Und den Teufel im Nacken kann man dann auch mit einem zünftigen Schütteln für einmal wieder von den Schultern werfen.

Und wie sagt man so schön: Nach der Untersuchung ist vor der Untersuchung. Das Leben in der Dauerangst fordert einen manchmal übel und die Unbeschwertheit leidet. Aber es gibt nichts, was man dagegen tun könnte. Wir haben zwar inzwischen gelernt, im Hier und Jetzt zu leben, weil das Morgen schon wieder ganz anders sein kann – aber es ist nicht immer so einfach, wie es sich hier tippen lässt. Es braucht Kraft, Zuversicht, Geduld, Liebe, ein starkes Umfeld und die besten Mediziner, die man nur finden kann.

Ohne Familie und Freunde wäre das Leben auf dem Onkoplaneten nicht auszuhalten, das ist sicher. Umso dankbarer bin ich, dass wir auf diese Menschen zählen können. Jene eben, die mich während meinen Herzkaspereskapaden versuchen in Schach zu halten, damit ich die Kraft habe, um dem Göttergatten immer zur Seite stehen zu können. Gemeinsam gegen das fiese Krabbentier!

Wartezimmer in der Onkologie

Grundsätzlich finde ich Wartezimmer bei Ärzten etwas Unangenehmens. Ich habe bei jedem Atemzug das Gefühl, mich mit etwas anzustecken und anfassen mag ich ohnehin schon gar nichts. Es kommt nicht selten vor, dass ich der Praxisassisstentin sage, ich warte draussen an der frischen Luft, sie könne mich holen, wenn ich dran sei.

In der Onkologie ist das anders. Krebs ist bekanntlich nicht ansteckend – was aber nicht bedeutet, dass das Warten im Wartezimmer der Onkologie angenehmer wäre. Ich mache diesen Besuch so alle 3 bis 4 Wochen mit meinem Göttergatten und es gibt Tage, da sind diese Besuche kurz und schmerzlos. Und es gibt Tage, da ist das Wartezimmer so voller Schicksale, dass mir schon vor der Sprechstunde beim Onko-Doc der Atem stockt.

Nach 18 Monaten Leben nach den Onkoregeln weiss ich, wie belastend dies sein kann. Sowohl für den Patienten, als auch für sein Umfeld. Und an Tagen wie heute, an welchen das Wartezimmer voller Patienten ist, die miteinander ins Gespräch kommen und deren Schicksale offen diskutiert werden, realisiere ich einmal mehr, wie glücklich man sich schätzen kann, wenn man gesund ist. Im Onkowartezimmer sind nämlich irgendwie alle gleich – einfach nur dankbar, wenn sie mit der Hoffnung aus der Sprechstunde entlassen werden, dass es wieder gut wird. Und da sitzen sich Jung und Alt gegenüber – manche reden, anderen wortlos und mit ängstlichem Blick.

Es gibt Tage, an welchen wir lange warten müssen, weil nunmal jeder Patient das Recht auf eine einzigartige Behandlung hat. Und das darf ruhig dauern. Dann studiere ich regelmässig die Menschen, die im Wartezimmer sitzen und überlege mir, welches Schicksal sich wohl hinter jedem Einzelnen verbergen mag. Eines ist sicher: Ein Leben mit Krebs ist NIEMALS schön – egal welches Gesicht die Krankheit zeigt. Aber es kann durchaus lebenswert sein. Der Göttergatte macht es bislang wunderbar vor. Er nimmt Tag für Tag und geniesst alles, was er machen kann. Und er macht soviel wie nur geht – Aufschieben ist nicht mehr!! Es kann aber auch über Nacht ändern und auf einmal ist es kein Leben mehr, sondern ein Durchhalten. Auch jenen Patienten begegnet man dort. Und dann frage ich mich immer: Wie lange kann ein Mensch eine derart gemeine Krankheit ertragen, wenn es nur noch durchzuhalten gilt, bis das Ende kommt? Ich ziehe meinen Hut vor jedem, der mit einer Krebs-Diagnose umzugehen versteht – der damit leben muss und der sich von der Angst nicht auffressen lässt. Ich weiss nicht, ob ich so tapfer wäre – oder ob ich mich in eine Ecke setzen und auf den Tod warten würde.

Aber eines weiss ich: Man kann sich auf so eine Diagnose und den Weg danach niemals vorbereiten – es gilt, Tag für Tag zu nehmen und das Glas so lange wie möglich halb voll zu sehen. Leer wird es ganz von selber, drum sollte man jeden guten Tag geniessen. Und das gilt nicht nur für Krebspatienten. Das gilt auch für alle Gesunden: Jeden Tag geniessen, es kann alles so schnell vorbei sein! Und wenn ihr das nächste überlegt, was man alles auf später verschieben könnte, dann denkt an meine Zeilen und TUT ES JETZT – was morgen ist, wissen wir nämlich alle nicht.

 

Rückblick auf ein hartes Jahr

Am 12. November letzten Jahres wurde uns von einer Sekunde auf die andere der Boden unter den Füssen weggezogen. Ohne Vorahnung, ohne Vorwarnung, ohne ein sachtes Gespräch wurden wir mit der Krebsdiagnose meines Göttergatten konfrontiert. Auf dem Korridor des Krankenhauses. Der Boden unter den Füssen tat sich auf und – da war nur noch ein schwarzer Abgrund.

Die Diagnose war niederschmetternd, die Prognose noch viel mehr. Nach dem ersten Schock legten wir zusammen mit dem Göttergatten den Schalter auf Kampfmodus um. Aufgeben war von der ersten Sekunde an keine Option, obwohl man uns sehr entmutigt nach Hause entlassen wollte. Noch heute höre ich den Satz des Arztes: „Auf ein paar Wochen kommt es bei ihrem Mann nicht mehr an.“

Jetzt, zwei schwere Operationen, diverse Bestrahlungen und pausenlose Chemiekäulen später, sitzt mir mein Göttergatte munter gegenüber. EIN JAHR SPÄTER! Wer hätte das damals gedacht? Kein einfacher Weg, den wir da in den letzten Monaten zusammen gegangen sind. Mein Held hat mit seinem Optimismus, seinem unfassbar starken Lebenswillen und ganz viel Hoffnung und Zuversicht diesen Weg aber bisher erfolgreich gemeistert. Und ich bin wahnsinnig stolz auf ihn. Gemeinsam haben wir uns auf dem Onkoplaneten einrichten müssen – wohl oder übel. Und gemeinsam – als Familie – haben wir versucht, uns mit diesem Schreckgespenst Krebs zu arrangieren. Was blieb uns auch anderes übrig. Getragen werden wir von unserer starken Familie, unseren wunderbaren Freunden, vielen lieben Bekannten und sogar Unbekannten. Und eine inzwischen sorgfältig ausgesuchte Ärztecrew begleitet uns auf diesem Weg. Ja, richtig – UNS. Der Krebs betrifft nämlich alle, die den Weg mitgehen. Alleine wäre diese Aufgabe nicht zu meistern.

Bestimmt fragt ihr euch nun, wie es denn jetzt weitergehen wird – wie unsere Zukunft aussieht. Nun ja: Das wissen wir nicht. Wisst ihr, wie eure Zukunft aussehen wird? Es ist eigentlich ausgeschlossen, eine medizinisch verbindliche Aussage zu machen – schliesslich hiess es vor einem Jahr „auf ein paar Wochen kommt es nicht mehr an“.

Wir geniessen, was im Moment ist. Wir sind dankbar, gemeinsam den Weg so weit gegangen zu sein und diesen hoffentlich noch ganz lange weitergehen zu können. Kein Arzt kann mit Sicherheit sagen, was passieren wird. Schliesslich gibt es gerade in der Medizin Rätsel, die kein Mensch erklären oder lösen kann. Wir nehmen Tag für Tag, haben unsere Prioritäten überdacht und unser Leben neu organisiert.

Wer weiss schon, was morgen ist? Das gilt nicht nur für Krebspatienten – das gilt für alle Menschen. Und allen, denen mit einer solchen Diagnose der Boden unter den Füssen weggezogen wird, kann ich nur raten: Glaubt nicht alles, was euch gesagt wird. Jeder Mensch ist anders, jeder Körper reagiert anders und – auch die Götter in weiss haben nicht immer die absolut richtige Erklärung. Kämpfen lohnt sich immer – am besten gemeinsam!

Galgenhumor

Wer auf dem Onkoplaneten lebt, der muss sich ein gewisses Mass an Galgenhumor aneignen oder bewahren, sonst dreht man am Rad. Wenn man tagtäglich das Thema Krebs mit aller Tragik, die es nun mal hat, ins Herz lässt … ja dann kann man eigentlich auch gleich von einer Brücke springen. Manche Krankheitsbilder sind derart übel, dass es nur zwei Varianten gibt: Aufgeben, oder mit viel Galgenhumor dagegen angehen. Die meisten Betroffenen (Patienten und Angehörige) die ich kenne, wählen glücklicherweise den zweiten Weg. Das gelingt manchmal besser, manchmal weniger gut. Es gibt immer Tage, an welchen man sich in eine Ecke setzen und heulen möchte … und das muss Platz haben. Aber jene Tage, an welchen man lachen kann, sollten überwiegen. Wie der Göga immer sagt: „Der Krebs ist Nebensache, die Hauptsache ist das Leben!“

Und so sassen wir heute mal wieder im Wartezimmer des Onkodocs und trafen Bekannte, die ebenfalls seit längerem auf dem Onkoplaneten leben. Auch sie üben sich tapfer in Galgenhumor … um sich vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Im übrigen habe ich inzwischen gelernt, dass die meisten direkt Betroffenen lieber unverkrampft mit dem Thema Krebs umgehen. Es ist in der Regel nur das Umfeld, welches komisch reagiert und nicht weiss, was/wo/wie es wann etwas sagen darf oder soll.
Wir haben also im Wartezimmer zusammen geredet, uns gegenseitig kurz ausgetauscht und zusammen über Mist gelacht, weil es das braucht. Und da sagt die eine Bekannte trocken: „Bei andern ist der Wurm drin, bei uns ist es halt der Krebs.“ Bähm!!! Ich hab mich schlapp gelacht. Der Spruch ist so gut, dass mein Mann auf der Heimfahrt vom Onkodoc meinte: „Ich glaub, das könnte eine Geschichte geben, gell…“. Jap, könnte es – danke für den Lacher 🙂

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