Erinnert ihr euch noch an die Poesiealben? Oder habt ihr im Moment womöglich Kinder, welche solche haben oder von Freunden nach Hause bringen? Ich fand die Dinger immer toll und letzthin ist mir doch tatsächlich ein altes Poesiealbum in die Finger gekommen. Es lag in einem Umzugskarton im Keller, ganz weit unten. Ich wusste nicht einmal mehr, dass ich sowas noch aufgehoben habe. Und das Beste: Gleich daneben lag mein altes Tagebuch aus der Schulzeit. Meine Güte … was ich doch für Gedanken hatte. Das muss ich euch erzählen:

Ich wollte offenbar unbedingt Lehrerin werden – oder Kindergärtnerin (steht in Klammern daneben). Ganz offensichtlich hat sich dieser Berufswunsch nicht erfüllt. Oder aber es war ganz einfach so, wie bei nahezu allen 10-jährigen Mädels. Die wollten nämlich damals alle Lehrerin werden. Oder Tierärztin. Ich wüsste nicht, dass eine meiner damaligen Freundinnen wirklich das geworden ist, was damals im Poesiealbum stand. Die Jungs wollten übrigens alle Pilot werden. Hätte das gestimmt, würden die Flugzeuge jetzt vermutlich im Minutentakt über uns wegfliegen. Ist also auch bei den männlichen Poesiefreunden nicht besser gelaufen.

Das Allerbeste ist aber das Tagebuch. Also gemäss meinen Zeilen müsste ich ja eine schreckliche Jugend durchlebt haben. Lustig nur, dass ich mich daran nicht erinnern kann. Datiert sind die Zeilen so, dass ich beim Verfassen 14 Jahre alt gewesen sein muss. Und ich war total verliebt in einen Stuntman, welcher sich mit seinem Motorrad durch brennende Reifen wagte und mit dem Auto von Türmen stürzte. Ich erinnere mich, dass er mit seiner Stuntfamilie damals in unserem Quartier auf einem leeren Gelände halt machte und eine Riesenshow abgezogen wurde. Und ich weiss auch noch, dass wir auf dem Dach unseres Hauses sassen und fasziniert zuschauten. Er war mein Held. Und er war sogar bei uns im Haus, um nach Strom zu fragen. Dreckig, mit ungepflegtem, strubeligem Langhaar und fürchterlich abgelatschten Schuhen. Mir war das aber egal, ich fand ihn einfach nur toll – was bei meiner Mutter Lachanfälle auslöste. Und bei meinem Vater laut entsetzte Schelte! Das war natürlich Grund genug, in meinem Tagebuch festzuhalten, dass niemand auf der ganzen Welt meine Liebe verstünde und dass ich wohl ausreissen müsste, um meinem Stuntman zu folgen. Ihr dürft jetzt in lautes Gelächter ausbrechen! 🙂

Nun ja, gemäss Tagebuch bin ich mit meinem Moped sogar fast zwei Stunden gefahren, um ihn zu suchen – meinen geliebten Stuntman. In meiner Vorstellung lebte er ja schliesslich ganz toll, so ähnlich wie Magnum oder so. Ich fand ihn auch – in einem Wohnwagen auf einem hässlichen Platz – und trotzig schwor ich in meinem Tagebuch, dass ich niemals in einem Haus leben würde. Ein Wohnwagen sei nämlich viel cooler. Auch wenn niemand auf der ganzen Welt das verstehen würde. So!!!

Bekanntlich ist auch das alles völlig anders gekommen. Ehemann, Kinder, Haus, Garten, Tiere und alles total unspektakulär ohne brennende Reifen und Autocrashs. Ja, so kann das Leben spielen – denn: erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt!