von süss bis ungeniessbar

Tödliche Sterne

Kennt ihr die Gourmet-Bibel Gault-Millau? Das ist jene Bibel, welche die besten Köche und ihre Esstempel führt. Je mehr Punkte man sich erkocht, desto höher steht man dort im Kurs. Und wer ganz oben steht, der verdient sich nicht nur Ruhm, sondern auch eine goldene Nase! Aber abgesehen davon, vor allem Druck und Zwang ohne Ende.

Gerade vor ein paar Tagen hat sich der weltbeste Koch Benöît Violier das Leben genommen. Und dies, kurz nachdem er vom Gault-Millau mit 19 von 20 möglichen Punkten in den Kocholymp gehoben wurde. Der Hang zum Perfektionismus und der Druck, diesen Standard halten zu können wurden wohl zu gross. Und leider ist er nicht der einzige in der Gilde der Sterneköche, welcher dem Druck zum Opfer gefallen ist. Schon 2003 nahm sich der Superkoch Bernard Loiseau nach der Herabstufung in der Gourmet-Bibel durch die Gault-Millau-Jury das Leben. Im Stolz getroffen, im Ego verletzt, dem Druck erlegen. Jährlich werden diese Köche ja der harten Prüfung der erlesenen Jury wieder ausgesetzt. Und man kann wohl sagen, dass die Leidenschaft des Kochens auf diesem Niveau tatsächlich Leiden schafft! 2011 hat sich Friedrich Zemanek das Leben genommen, kurz nachdem er von Gault-Millau 14 von 20 Punkten erhalten hatte. Er hatte sich mehr erhofft und konnte wohl die Enttäuschung nicht verkraften.

Alles nur Mutmassungen, aber es ist doch auffallend, dass im Kreise dieser Superköche immer wieder Selbsttötungen passieren. Das kann doch nicht gesund sein. Kochen bis in den Tod…

Jetzt frage ich mich, ob die Kochformate im Fernsehen, welche in den Vorschauen angepriesen werden mit Sätzen wie: „Der Kampf der Sterneköche!“ schlau sind? Sollte man diesen Druck tatsächlich noch schüren und unterstützen mit solchen Formaten? Ich glaube nicht! Ein ungesundes Metier mit gesundem Essen. Gäste glücklich, Koch tot. Irgendwas läuft da aber gehörig falsch – und wenn ich sehe, wie sich der Vorzeige-Fernsehkoch Tim Mälzer tödlich aufregen kann, wenn ihm im Wettbewerb etwas nicht gelingen will, dann muss ich sagen: Tödlich aufregen hat wohl noch nie so gepasst, wie im Kreise der Sterneköche.

Wo sitzt euer Appetit?

Regelmässig, wie immer, gehe ich ja bekanntlich zu meiner Lieblingsnadelfrau. Im Fachchinesisch nennt man das Akupunktur. Heilsam, wirksam, schmerzvoll, interessant und immer wieder spannend. Und als alter Akupunkturhase dachte ich ja, dass ich inzwischen alle logischen und unlogischen Punkte meines Körpers kennen würde. Aber seit kurzem weiss ich, dass dem nicht so ist. Weiterlesen

© 2024

Theme von Anders NorénHoch ↑