Dies, meine lieben Leser/innen, ist ein Gastbeitrag einer guten Bekannten aus dem Emmental:

Warum assoziiert man mit dem schwarzen Schaf eigentlich etwas Schlechtes? Wenn alle Schafe weiss sind und eines schwarz (was ich persönlich hübscher finde, weil weiss zu schmutzigem Beige wird), dann ist es doch nur anders.

Bleibt die Frage, ob anders schlecht ist.

Also ich bin Zeit meines Lebens schwarz im Sinne von anders. Ja ok, mein Haar ist dunkel, aber das gibt es ja öfters. In meiner Heimatstadt Düsseldorf fiel ich damit nicht so auf. Eher mit meiner etwas rebellischen Art, und mit der Verweigerung, mit dem Strom zu schwimmen und Männer als Mass aller Dinge zu akzeptieren.

Mit Anfang 20 machte ich mich dann auf ins Land wo Milch und Honig fliessen, die Kühe lila sind und der Käse riesige Löcher hat. Das Land, in dem Heid, Peter und der Almöhi  jodelnd die Berge runterrodeln. Und ich wurde die erste Frau, die in der Schweiz Autos verkaufte (kein Scheiss) –  ein schwarzes Schaf eben!

Das grenzte schon beinahe an Gotteslästerung – sowas geht offenbar gar nicht!

Ich hörte tatsächlich Sätze wie: „Du nimmst den Männern die Arbeitsplätze weg. Frauen bleiben daheim, versorgen die Kinder und hüten das Feuer.“ Kein Witz! Ich glaubte zunächst an eine besondere Art Humor – aber ich lachte nicht lange darüber. Als nächstes kam der mit dem Hitler. Deutsche!!???? Sie schlugen das Kreuz, hängten sich Knoblauchketten um den Hals (sinnbildlich) und diskutierten mit mir über Judenvernichtung und Weltkrieg, obwohl ich öfter darauf hinwies das ich 1960 geboren wurde, der Krieg aber 1945 beendet war. Ein schwarzes, hochdeutsch sprechendes Schaf also.

Ich lernte meinen zukünftigen Ehemann kennen, seines Zeichens Emmentaler, Geschäftsmann, Offizier und A-Liga Eishockeyspieler – also ein Vorzeigeschweizer. Er brachte mir bei, dass im Emmental noch der Handschlag zählt und dass Zusammenhalt, Neutralität und Ehrlichkeit gross geschrieben werden. Er schloss sein Auto nicht ab, selbst mit Wertgegenständen drin und auch die Wohnungstür blieb meist unverschlossen. Wir sind schliesslich in der Schweiz.

Wir heirateten – der Emmentaler und das schwarze Schaf.

Wenn wir mit den 3 Kindern durchs Emmental fuhren, konnte es passieren, das er unvermittelt mitten auf der Strasse  anhielt, pathetisch mit dem Arm in die Runde deutete und ausrief: „Kinder, das ist Heimat!“ Und die Kids verdrehten die Augen und stöhnten: „Jetzt kommt der schon wieder mit seiner Heimat..!“

Wir zogen gemeinsam unsere 3 Kinder auf in einem Bauerndorf im Emmental auf, bauten ein Haus. Nun waren wir 4 schwarze Schafe und ein Graues. Die Kinder und ich wurden mit Vorurteilen und Neid überschüttet. An Schulfesten sassen wir allein am Tisch, eingeladen wurden wir nie und als auch noch bekannt wurde, dass ich nicht nur Deutsche bin, sondern noch italienisch-türkische Wurzeln habe, eine Harley fahre und ohne meinen Mann in den Ausgang gehe, wurden Fenster und Türen abgeschlossen, wenn ich auftauchte.

Dann passierte unser Schicksal: Wir waren gezwungen, eine Hypothek auf unsere Geschäftsliegenschaft aufzunehmen, um den darin befindlichen Garagenbetrieb zu modernisieren. Kein Problem, wie die Bank meinte. Ein gesunder, 120 Jahre alter Familienbetrieb und eine Liegenschaft an guter Lage bergen kein Risiko. Und doch wurde uns die Hypothek nach einiger Zeit unter fadenscheinigen Gründen gekündigt. Das geforderte Geld trieben wir durch den Verkauf unseres Hauses, also unseres Daheims auf. Da erhöhte die (ortsansässige) Bank ihre Forderungen. Wir schafften es noch einmal, das Geld aufzubringen, worauf die Bank den Freihandverkauf ablehnte und die Versteigerung einleitete, welche sie abrach als sie bemerkten das in unserem Auftrag jemand mitsteigerte. Wir wurden an Ort und Stelle enteignet.

Und ich sass da und dachte daran, wie mein Mann damals gesagt hatte, dass im Emmental der Hangschlag noch etwas gelte. Wörter wie bodenständig oder Zusammenhalt kamen mir wieder in den Sinn – während unsere Nachbarn, Bekannte und Freunde, Weggefährten und

Kollegen die Hand hoben, um unser Hab und Gut zu ersteigern, statt uns zu helfen.  Tja … und jetzt – jetzt sind wir 5 schwarze Schafe!

Ich bedanke mich bei meiner Gastautorin für diese eindrückliche Geschichte!