von süss bis ungeniessbar

Back to …. 2005!

Vor mir liegen Kabel, Kabelbinder, Lötkolben, Batterien, Sekundenkleber, Büroklammern, Leim, Kartonschachteln und Stopfmaterial. Was das soll? Ich baue mir eine Zeitmaschine!

Ja, richtig – ich habe die Schnauze voll von 2020! Gestrichen voll. Eigentlich ist unser Leben schon seit ein paar Jahren mehr als kompliziert. Seit wir von einem Tag auf den anderen auf den Onkoplaneten katapultiert wurden, war es nie wieder unbeschwert. Keinen Tag, keine Stunde, keine Minute. Und als wir dachten, uns könne praktisch nichts mehr das Leben verkomplizieren, da kam 2020!

COVID19 hiess der neue Fiesling und stellte sich uns ganz gemein in den Weg. Als ob es da nicht schon genug Steine drauf hätte. Das Mistding grinst uns täglich ins Gesicht und sagt „ätsch, schön zu Hause bleiben, ich lauere nämlich überall“!

Ah, dann hätten wir da noch eine aktuell sehr ausgeprägte Hitzewelle, Insektenplagen, Konkurse am laufenden Band, Aggressionen hier und da und jede Menge anderer Gründe, warum 2020 unter „Pleiten, Pech und Pannen“ weggeschmissen werden kann. Und weil mir die Zukunft eher Angst macht, als dass ich mich darauf freue, habe ich beschlossen, zurück zu reisen. Ja: Zurück in ein Jahr, in welchem ich das Leben noch ziemlich schön fand. 2005 ist mir eingefallen. Zwar musste ich mich damals von meiner geliebten Oma verabschieden – aber weil sie schon lange zuvor krank war, konnte ich sie gut gehen lassen. Unsere beiden Kinder waren damals 10 und 12 Jahre alt (ein wunderbares Alter), mein Göttergatte war gesund und aktiv, meinen Eltern ging es gut, ich war im Kopf in der Startphase meiner Selbständigkeit im Textilbereich und ich freute mich auf alles, was noch kommen würde. Wir konnten zweimal jährlich wunderbare Ferien mit unsere liebsten Freunden verbringen und hatten soviele Pläne. Es war perfekt … ich weiss nur nicht so genau, ob wir das damals auch so empfunden haben. Aber ich weiss, dass wir unser Leben sehr genossen haben.

Ich habe eine liebe Freundin, die unglaublich gerne mit mir zusammen in die „alte Zeit“ zurückreisen würde. Sie empfindet das Leben aktuell auch nicht gerade prickelnd. Und wenn ich jemandem davon erzähle, dann muss ich aus meiner Maschine wohl einen Bus bauen – es gibt ganz schön viele, die gerne mitreisen möchten!!!

Fakt ist: Wenn ich das Ding zusammengebaut habe, dann werde ich die ganzen Erfahrungen von heute in meinen Rucksack packen (die nehme ich nämlich mit), meine Enkelin schnappen (DIE MUSS AUCH MIT) und werde mich verdünnisieren (gehört neu in meinen persönlichen Duden). Und wenn ich dort angekommen bin, dann halte ich die Zeit an!!! Ich will ja nicht noch einmal in Richtung 2020 kommen – diese Richtung gefällt mir nämlich null Komma gar nicht!!

Falls da draussen noch mehr Anwärter auf Zeitmaschinenplätze fürs 2005 sind: Bitte melden, ich bin flexibel was die Grösse der Maschine angeht!

Das Leben ist eine Pralinenschachtel

Eine liebe Freundin hat heute zu mir gesagt: „Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel.“

Ich habe über den Satz nachgedacht und mir überlegt, wie unser Leben „nach Corona“ (wenn es das denn überhaupt gibt … NACH …) aussehen wird. Und dabei ist mir die Pralinenschachtel wieder eingefallen. Wir wissen alle nicht, was auf uns wartet. Und genauso verhält es sich mit einer gemischten Pralinenschachtel. Wir haben keine Ahnung, was da drin ist und ob wir das mögen oder nicht. Bei den Pralinen können wir einfach zur Not nur anbeissen und wegschmeissen, wenn es nicht mundet. Im wahren Leben funktioniert das leider nicht. Wäre ja zu schön: Morgens den Tag beginnen und wenn es sich scheisse anfühlt, dann einfach wegschmeissen und einen neuen Tag nehmen. Das wäre unglaublich toll!

Ich schätze mal, dass jene, die diese Zeit überstanden haben, irgendwann im Herbst ihre Schachtel öffnen und – im Optimalfall – eine Menge feiner Pralinen drin sind. Es wird vielleicht so zwei oder drei haben, die nicht wirklich lecker schmecken, aber die sind zu verschmerzen.

Es wird aber auch jene geben, die die Schachtel öffnen, und mehrheitlich Schokolade vorfinden, die sie nicht ausstehen können. Die werden dann wohl auf etwas Neues umschwenken müssen.

Dann wird es jene geben, die in der Schachtel anstelle von Schokolade lauter Scheisshäufchen drin haben. Die werden gut daran tun, die Schachtel weit weg zu schmeissen und den Mut nicht zu verlieren, dass es wieder besser wird.

Leider wird es auch solche haben, die ihre Schachtel gar nicht mehr öffnen können.

Ja, ich muss zugeben, der Vergleich mit der Pralinenschachtel ist gar nicht so schlecht. Wenn ich hier dann bitte meinen Wunsch anbringen könnte: Ich möchte KEINE DUNKLEN Pralinen drin, die mag ich nicht. Könnte das – wer auch immer da auffüllt – bitte berücksichtig werden. Dankeschön! 🙂

Rückblick auf ein hartes Jahr

Am 12. November letzten Jahres wurde uns von einer Sekunde auf die andere der Boden unter den Füssen weggezogen. Ohne Vorahnung, ohne Vorwarnung, ohne ein sachtes Gespräch wurden wir mit der Krebsdiagnose meines Göttergatten konfrontiert. Auf dem Korridor des Krankenhauses. Der Boden unter den Füssen tat sich auf und – da war nur noch ein schwarzer Abgrund.

Die Diagnose war niederschmetternd, die Prognose noch viel mehr. Nach dem ersten Schock legten wir zusammen mit dem Göttergatten den Schalter auf Kampfmodus um. Aufgeben war von der ersten Sekunde an keine Option, obwohl man uns sehr entmutigt nach Hause entlassen wollte. Noch heute höre ich den Satz des Arztes: „Auf ein paar Wochen kommt es bei ihrem Mann nicht mehr an.“

Jetzt, zwei schwere Operationen, diverse Bestrahlungen und pausenlose Chemiekäulen später, sitzt mir mein Göttergatte munter gegenüber. EIN JAHR SPÄTER! Wer hätte das damals gedacht? Kein einfacher Weg, den wir da in den letzten Monaten zusammen gegangen sind. Mein Held hat mit seinem Optimismus, seinem unfassbar starken Lebenswillen und ganz viel Hoffnung und Zuversicht diesen Weg aber bisher erfolgreich gemeistert. Und ich bin wahnsinnig stolz auf ihn. Gemeinsam haben wir uns auf dem Onkoplaneten einrichten müssen – wohl oder übel. Und gemeinsam – als Familie – haben wir versucht, uns mit diesem Schreckgespenst Krebs zu arrangieren. Was blieb uns auch anderes übrig. Getragen werden wir von unserer starken Familie, unseren wunderbaren Freunden, vielen lieben Bekannten und sogar Unbekannten. Und eine inzwischen sorgfältig ausgesuchte Ärztecrew begleitet uns auf diesem Weg. Ja, richtig – UNS. Der Krebs betrifft nämlich alle, die den Weg mitgehen. Alleine wäre diese Aufgabe nicht zu meistern.

Bestimmt fragt ihr euch nun, wie es denn jetzt weitergehen wird – wie unsere Zukunft aussieht. Nun ja: Das wissen wir nicht. Wisst ihr, wie eure Zukunft aussehen wird? Es ist eigentlich ausgeschlossen, eine medizinisch verbindliche Aussage zu machen – schliesslich hiess es vor einem Jahr „auf ein paar Wochen kommt es nicht mehr an“.

Wir geniessen, was im Moment ist. Wir sind dankbar, gemeinsam den Weg so weit gegangen zu sein und diesen hoffentlich noch ganz lange weitergehen zu können. Kein Arzt kann mit Sicherheit sagen, was passieren wird. Schliesslich gibt es gerade in der Medizin Rätsel, die kein Mensch erklären oder lösen kann. Wir nehmen Tag für Tag, haben unsere Prioritäten überdacht und unser Leben neu organisiert.

Wer weiss schon, was morgen ist? Das gilt nicht nur für Krebspatienten – das gilt für alle Menschen. Und allen, denen mit einer solchen Diagnose der Boden unter den Füssen weggezogen wird, kann ich nur raten: Glaubt nicht alles, was euch gesagt wird. Jeder Mensch ist anders, jeder Körper reagiert anders und – auch die Götter in weiss haben nicht immer die absolut richtige Erklärung. Kämpfen lohnt sich immer – am besten gemeinsam!

Leben will gelernt sein

Lebt ihr schon oder rennt ihr noch?

Mit meinen stolzen 50 Jahren (fast) und einem grossen Rucksack an Lebenserfahrung habe ich in der letzten Zeit etwas ganz extrem gemerkt: Wenn man wirklich lernen will, wie man lebt, dann ist man in der Schweiz am falschen Ort. Alles, was uns Schweizer auszumachen scheint, sind Werte, welche für eine gute Lebensqualität höchstens hinderlich sind. Da hätten wir zum Beispiel:

Pünktlichkeit
Disziplin
Zuverlässigkeit
Strebsamkeit
Erfolg
Ansehen
Titel
und vieles mehr, was nicht glücklich macht.

Während viele Nationalitäten rund um uns herum schon lange gelernt haben, die Fünf mal grade sein zu lassen, die Messlatte nicht immer zu hoch zu legen und nicht alles nur auf die Zukunft auszurichten, lernen Herr und Frau Schweizer das wohl nie. Wir sichern uns ab bis in alle Ewigkeit. Unsere Planung liegt mit dem Fokus immer auf dem Pensionsalter. Wir rennen Tag ein Tag aus der Perfektion hinterher und versuchen alles, um die wichtigen Dinge immer sogleich zu erledigen. Unwichtige Dinge wie Reisen, Familienzeit oder einfach nur SEIN, all diese Dinge können gemäss Herr und Frau Schweizer ja warten … bis irgendwann. Und da stellt sich mir jeden Tag aufs Neue die Frage: Wissen wir überhaupt, was wichtig und was unwichtig ist? Können wir in der Schweiz überhaupt leben … oder sind wir Meister darin, hoffentlich bis zum Pensionsalter zu ÜBERleben, um dann vielleicht endlich ein bisschen zu geniessen? Ich glaube nämlich, dass das zweite der Fall ist und wir – falls wir überhaupt bis zur Pension kommen – auch nach der Arbeitszeit nicht wissen, wie man lebt. Im Gegenteil: In der Schweiz werden nicht selten Menschen, welche den Fokus auf das LEBEN legen, als Verlierer oder Aussteiger abgestempelt.

Liebe Leser/innen, wenn ich euch einen echten Herzenstipp geben darf: Legt euren Fokus auf das HIER und JETZT … die Vergangenheit ist ohnehin schon durch und wenn man ständig in der Zukunft lebt, dann vergisst man dabei leider die Gegenwart. Und genau die ist es, in welcher wir gerade sind. Jetzt, in dieser Sekunde – durchatmen, und leben. Ich lerne es auch noch … jeden Tag!

Und nun?

Die regelmässigen Leser-/innen meines Blogs wissen, dass ich in den nächsten Wochen meine Geschäftstätigkeit in Solothurn aufgeben werde. Nach 10 Jahren ist nun definitiv Schluss mit dem Kampf an der textilen Front und ich habe – mit Verlaub – die Schnauze gestrichen voll und bin froh, wenn ich die Schlüssel drehen kann. Ich habe zwar viel gelernt, aber dabei auch ganz schön viel einstecken müssen. Verdient habe ich niemals daran – aber das ist ein anderes Thema… Weiterlesen

Expertenwissen

Ich habe mir in letzter Zeit oft die Frage gestellt, wann sich jemand Experte nennen darf? Oder noch besser: Gibt es überhaupt eine Expertengrenze und wenn ja, wo und wie ist diese definiert? Mir fällt nämlich auf, dass ständig irgendwo irgendwelche Experten zitiert werden. Sei es in der Zeitung, im Fernsehen oder im Radio. Wer ernennt diese Leute eigentlich zu Experten? Oder ist das ein Beruf, den man erlernen kann? Weiterlesen

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