Und dann kam ER…

…und ER wird heute 40 Jahre alt! Alles Gute zum Geburtstag, Bruderherz! 🙂
Aber fangen wir mal vorne an:

Ich war acht lange Jahre Einzelkind. Eigentlich die Prinzessin auf der Erbse. In unserer riesigen Familie hatte noch niemand Kinder. Meine Eltern waren die schnellsten und machten damit aus mir das ultimative Enkelkind, Patenkind und Kind mit besonderem Status. Ich gebe zu, ich wurde verwöhnt. Vor allem die Grossmutter konnte mir keinen Wunsch abschlagen und was ich zu Hause nicht bekam, holte ich mir kurzerhand bei Oma (wir lebten in einem Zwei-Generationen-Haus).

Irgendwann, ich ging schon zur Schule, erzählte mir meine Mama, dass ich ein Geschwisterchen bekäme. Meine Güte, wie aufregend. Jetzt sollte ich also tatsächlich auch noch grosse Schwester werden. Pha! Schon wieder hatte ich einen Sonderstatus. Niemand in der Schule konnte solche Neuigkeiten erzählen. Nur ich! Die wenigsten bekommen nämlich in der Schulzeit noch ein Geschwisterchen. In meiner Fantasie stellte ich mir vor, wie schön es sein würde, meine kleine Schwester, welche logischerweise blondes langes Haar haben musste, zu frisieren und einzukleiden. Wie wunderbar stellte ich mir die Zeit vor, wenn ich ihr meine Puppen ausleihen und mit ihr im Garten Mutter und Kind spielen könnte. Ich freute mich wie wahnsinnig und träumte ab da regelmässig von meiner unglaublich hübschen Schwester. Besonders freute ich mich darauf, dass ich dann – wie die meisten meiner Schulkameraden – mein Zimmer endlich mit einem Geschwisterchen teilen konnte. Das Alleinsein hatte ich nämlich gründlich satt.

Und dann kam der Tag der Geburt. Ich durfte mit meinem Papa das Geschwisterchen im Spital begrüssen und – erinnere mich an diesen Anblick, als ob es gestern gewesen wäre. Da lag – hinter einer Glasscheibe, das war damals noch so üblich – ein hässliches Etwas mit langen schwarzen Haaren und einer Knollennase. Es zappelte, schrie und hatte runzlige und gelblich verfärbte Haut. Sein Gesicht erinnerte mich an ein Gnom und ich war mir sicher, dass es sich dabei um einen Irrtum handeln musste. Als meine Eltern mir dann noch sagten, dass das mein Brüderchen sei, da war mein Traum endgültig geplatzt. Was war mit meiner blonden, hübschen Schwester? Wie konnten sie mir das antun? Einen schwarzhaarigen, schreienden Bruder als Alternative. Ich konnte mich ja in der Schule nicht mehr sehen lassen. Wie peinlich. Die Enttäuschung war gross. Aber ich dachte, ich hätte eine Lösung.

Ich ging tags darauf wieder in die Schule und erzählte meiner Lehrerin von der Geburt meiner hübschen kleinen Schwester. Stolz marschierte ich über den Schulhof und schmückte die hübsche kleine Schwester mit allen Attributen, die man sich für ein Neugeborenes nur ausdenken kann. Blöd nur, dass eine Woche später meine Lehrerin meiner Mama zur Tochter gratulierte und diese verdutzt meinte: „Bitte? Wir haben einen Sohn bekommen.“ Da flog die Geschichte also auf. Und ich musste beichten, dass mir dieser Bruder eigentlich überhaupt nicht in den Kram passte. Dass meine Eltern das nicht so ganz verstehen wollten, machte die Sache auch nicht besser. Also beschloss ich, ihn wieder loszuwerden. Irgendwie musste es mir gelingen, dieses ständig schreiende und überhaupt nicht schöne Wesen unbemerkt zu beseitigen. Die Versuche misslangen aber alle, da meine wachsame Mama immer ein Auge auf uns hatte. Ich konnte ihn also weder mit dem Bügeleisen verbrennen (Plan A), noch mit dem Kissen ersticken (Plan B) und auch nicht einfach aus dem Kinderwagen in den Graben kippen (Plan C). Jeder Versuch, das hässliche Wesen wieder loszuwerden, wurde im Keim erstickt.

Ihr könnt euch bestimmt denken, dass die Prinzessin ganz schön Mühe hatte, diesen Eindringling im Laufe der Jahre als Bruder zu akzeptieren. Schlussendlich hat es aber dann doch noch geklappt, ich brauchte einfach einige Zeit. Schlussendlich vertrauten ihn mir meine Eltern sogar an, wenn sie mal alleine weggehen wollten. Toll fand ich das zwar nicht, aber ich liess ihn am Leben. Und heute ist er auch nicht mehr hässlich und die Mordgedanken sind zum Glück verschwunden. Er ist heute sogar der Ruhigere von uns Beiden, aber immer noch mein kleiner Bruder.

Wie gut, dass ich ihn am Leben liess, sonst könnte ich nun heute nicht mit ihm auf seinen 40-igsten anstossen! Happy birthday! 🙂

23 Gedanken zu „Und dann kam ER…

  1. ich kugle mich gerade vor lachen 😀 😀 😀 Du kannst meinem Bruder die Hand geben! Er ist zwar nur 3 Jahre älter als ich, aber auch ER hatte Mordgedanken! Er wollte mich der Müllabfuhr mitgeben und mit dem Teppichklopfer im Wägelchen erschlagen. Ich hab’s dank meiner Mutter überlebt 😉 Wahrscheinlich geht das vielen Erstgeborenen so, wenn da plötzlich ein Eindringling kommt 🙂 Danke, für die lustige Geschichte ♥

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  2. Also mein Bruder ist 9 Jahre jünger als ich. Ich hatte mich schon gefreut über ihn, aber richtig etwas mit ihm anzufangen..na ja..wußte ich nicht.
    Ich war ein wildes Mädchen und habe mit den Jungs aus der Nachbarschaft lieber draußen Ball gespielt und bin auf Bäume gekraxelt, als mich um den kleinen Babybruder zu kümmern.
    Ich weiß noch genau als ich einmal heimkam und meine Mama fragte wo er denn sei…au weia…, ich hatte ihn im Kinderwagen an der Straßenecke stehenlassen und einfach „vergessen“.
    Nur gut, daß wir in einer sehr ruhigen Wohngegend lebten…und schließlich schlief er ja ganz friedlich…!

    Heute haben wir ein sehr gutes Verhältnis zueinander, aber dieser Altersunterschied ist in der Kindheit nicht leicht zu stemmen.

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  3. Da hat mein Bruder ja richtig Glück gehabt! Er war zwar kein klassischer Nachzügler, aber ich hab ihn bewacht und immer ein Auge auf ihn gehabt, damit bloß keiner das zerbrechliche Wesen kaputt macht. Und wie wurde es mir gedankt? Mit einem „Ich will aber nicht mit meiner Schwester zusammen wohnen!“ als meine Eltern sich trennten. Pah! Das hab ich ihm großzügigerweise verziehen, aber dann vergessen, mich zu seiner Hochzeit einzuladen – das war ein starkes Stück! Ich weiß, dass es an seiner Schusseligkeit liegt, aber dennoch piesacke ich ihn seitdem sehr gern. Hätte ich mal lieber auch versucht, ihn früher loszuwerden… 🙂

    LG
    Steffi

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