Nett, netter, Schreikrampf

Ich mag nette Menschen. Schliesslich möchte ich nett behandelt werden, und ich versuche, meine Mitmenschen auch nett zu behandeln. Manchmal mache ich eine Ausnahme, wenn mich jemand so richtig nervt. Dann bin ich unnett (anderes Wort für ziemliches Ekelpaket).

Nun war ich aber im Restaurant mit meiner Familie zum Nachtessen verabredet. Unser Gastronom des Vertrauens hat eine neue Angestellte und die ist – mit Verlaub – so nett, dass sie mich in den Wahnsinn treibt. Kennt ihr das Gefühl, jemandem den Hals umdrehen zu wollen, weil seine Stimme derart übertrieben säuselnd und seine Wortwahl so übertrieben niedlich ist?

Wir setzen uns an unseren üblichen Tisch und die nette Neue kommt angerauscht und säuselt in einem total unangebrachten Süssholzton:
„Möchten sie etwas essen?“
Mein Mund sagt: „Gerne, wenn es geht.“ Mein Kopf denkt: „Nein, wir haben nur zum Spass zum Essen reserviert.“
„Darf ich ihnen schon mal ein Aperöchen bringen?“
Mein Mund sagt: „Gerne, und die Speisekarte bitte.“ Mein Kopf denkt: „Ein normales Getränk ginge auch.“
„Die Karte bringe ich ihnen sofort, dann können sie schon mal ein Blickchen reinwerfen.“
Mein Kopf rattert wie wild und ich beisse mir auf die Zunge, um nichts Blödes zu entgegnen. Die Gute kommt zurück mit den Karten und einem Körbchen Brot für …. das erste Hüngerchen. Und dabei grinst sie wie ein Honigkuchenpferd. Ich weiss, sie meinte es einfach gut – für meinen Geschmack zu gut. Und dann geht der Süssholzmarathon weiter.
„Hier ist noch das scharfe Sösschen zur Pizza.“
„Möchten sie noch ein Gläschen Wein?“
„Wie wärs noch mit einem Dessertchen oder einem Käffchen?“

Nein, ihr Lieben, ich mag nette Menschen immer noch, aber jetzt mal im ernst: Mögt ihr diese Art der Sprache? In mir löst sie Brechreizchen, Aggressiönchen und Sarkasmusattäckchen aus. Und ich kann mir dann irgendwann eine total doofe Bemerkung einfach nicht mehr verkneifen. So eine wie:
„Herzlichen Dank für die gute Bedienung und ein schönes Feierabendchen.“

Ich weiss, das tut man nicht. Aber man kann es mit dem nett auch übertreiben. Und Arschkriecherchen mag ich überhaupt nicht – weder mit, noch ohne Säuselstimme.

34 Gedanken zu „Nett, netter, Schreikrampf

  1. Die Kellnerin hat wahrscheinlich viel Zeit in Amerika verbracht. Die übertreiben auch manchmal so dermaßen.
    Man zeigt ihnen was Schönes, dann kommt : Ouhhh maiiii goooood..sis is souuuuu bieudifull!
    Wenn man sie freundlich beraten hat ( hihi und sie mich sogar gut verstanden haben) kommt noch: sääääänk jouuuuu wäääri maaatsch juuuuu arr sooooou kaiiiiind!

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      • Danke, ist doch schön wenn ich jemanden zum Lachen bringe!
        Das Leben ist hart genug..
        Und wenn mich meine Lieben mal nicht mehr aushalten mit meinem Schmarrn, komme ich als ‚älteste Praktikantin ever‘ zu dir in den Laden. Ich verkaufe alles, auch Klamotten an überschwängliche Amis wenn es sein muß!

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  2. Da fehlt ja nur noch das „stösschen“ das ja in jeder Sendung „das perfekte Dinner“ zugeprostet wird, da kommt mir auch die Galle hoch so ein doofer Spruch.

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  3. So überfreundliche sind manchmal auch falsche Gesellen…der Messerstecher in meinem beruflichen Umfeld ist auch so falsch nett. Kaum drehst du dich um, hast du ein Messer im Rücken, hinterhältiges Arschloch. Aber ich kann das mit ihm auch, ich bin zu ihm nur noch Zuckersüss, der hat noch nicht gemerkt, dass meine Messer mittlerweile länger sind als seine 🙂

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  4. Ich mag Arschkriecher und übertrieben freundliche Menschen auch nicht. Manchmal frage ich mich ob es nicht ziemlich anstrengend und ermüdend ist so absolut nett zu sein….

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  5. 😀 :-D, das ist ja nur noch süß. Da kann man auf das Dessert getrost verzichten. Ich verstehe dich vollkommen, in meinem Hirn kommen in so einem Fall auch sofort die Teufelchen hervor…. Hat für mich auch nichts mit professionellem Service zu tun; aufmerksam, charmant und freundliche Distanz geht nämlich auch . Hat’s wenigstens geschmeckt – das Pizzalein mit Sößchen und Weinchen? Grüßchen vom Bloggerinchen

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  6. Hihi. Ich habeinen Lieblingswirt, der ist auch SHER freundlich, kommt, wenner bei seinen schnellen Schritten die Zeit erübrigen kann gern auch oft undöfter an den Tisch erkundigt sich nach dem Befinden und öfter auch, ob’s gemundet hat. Für manche eine Spur zu oft und übertrieben. Aber ich eines unterscheidet ihn vom Arschkriecherchen: Ich weiß und bilde mir ein zu merken, dass er es absolut ehrlich meint 😉
    Und dann bedankt man sich mal auch artig, wenn es gerade ein nicht völlig passender Moment ist …

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