Baustelle im Kopf

Es gibt eine Theorie, welche besagt, dass während der Pubertät das menschliche Gehirn eine einzige Baustelle sei. In dieser Zeit passieren im oberen Stübchen offenbar unzählige Verknüpfungen und Synapsen docken gegenseitig an, welche bislang ohne Verbindung waren. Im Körper und der Gefühlswelt wird während dieser Zeit ein riesen Chaos verursacht. Die Gefühle fahren Achterbahn – genauso wie die Launen. Mal himmelhoch jauchzend, mal zutode betrübt. Mal hungrig, mal appetitlos. Mal ist das Umfeld ganz okay, mal findet man alle Menschen einfach nur zum Kotzen. Und all das, wegen dieser Baustelle im Kopf. Gute Erklärung – und so frage ich mich nun: Wie nennt sich die Zeit der Wechseljahre? Rückbau?

Ich gehe davon aus, dass sich mein oberes Stübchen aktuell mitten im Rückbau befindet. Zumindest fühlt es sich so an. Vermutlich scheinen sich einige Synapsen wieder zu trennen, was die mühsame Vergesslichkeit erklären könnte. Und einige Verknüpfungen führen dazu, dass mich mein fehlgeleitetes Hirn ständig in die Küche zum Kühlschrank leitet. Was sich natürlich auf der Waage, den Kleidern und demzufolge auch der Laune niederschlägt. Und ja, es gibt sie wieder, die Tage, an welchen ich mein Umfeld richtig okay finde – und eben auch jene, an welchen rundherum nur Idioten zu sein scheinen.

Zu allem Überfluss kommt beim Rückbau in der Regel ja dann ein Neubau. Und dieses Gefühl kommt nun noch erschwerend dazu. Diese innere Unruhe, welche anklopft und fragt: „Hey Du da! War’s das nun? Oder kommt noch was?“ Gute Frage! Ja, was mag nun noch kommen. Das letzte Lebensdrittel müsste doch noch irgendwie einen Neuanstrich bekommen. Einfach nur so weitertümpeln kommt auf keinen Fall in Frage, das liegt nicht in meiner Natur. Und mit dem Neubau bin ich nun doch sehr beschäftigt. So nach dem Motto:
Heirat – erledigt
Familiengründung – erledigt
Hausbau – erledigt
Haustiere – teilweise erledigt
Geschäftsaufbau – erledigt
Reisen – erledigt
Weiterbildungen – erledigt
Baum pflanzen – erledigt
und nun…..
… beginnt wohl der Weg mit der neuen Liste. Und diese muss ich erst sorgfältig sortieren. Sonst verlaufe ich mich womöglich! Also diese ewigen Baustellen im Kopf sind doch etwas mühsam, wie ich finde!

47 Gedanken zu „Baustelle im Kopf

  1. Eine interessante Sichtweise. Bei „manchen“ Menschen sicherlich eine, die sich verwirklicht. Ich tendiere mehr zu der Sichtweise, dass die Phase am Laufen ist, wo die Dinge, die man im bisherigen Leben so gemacht, gedacht, gehandelt hat, hinterfragt werden, und dann DAS übrig bleibt, was wirklich Sinn macht und erfüllend ist. Um am Ende des Lebens für sich sagen zu können, dass man sich zu etwas entwickelt hat, was sinnvoll gelebt hat; was natürlich erst Anlauf brauchte
    Bei Manchen setzt das allerdings erst sehr spät ein, was bedingt, dass sie nicht fertig werden mit dieser Entwicklung. Allerdings, so finde ich, hat jeder die Möglichkeit, das bewusst anzuschieben.

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  2. Meine sehr geschätzte Gerburg Jahnke hat es in ein schönes Bild gepackt…Pubertät und Wechseljahre das ist wie mit dem Omnibus….die einen steigen ein…die anderen aus….

    Aber tröstlich zu lesen das es nicht nur mir so geht….dieses ständig am Limit sein mit Gefühlen…kaum ist mal etwas anders ( weltbewegende Dinge wie „Wie kriegt man das neueste Update auf den TV“… ) schon ist man aus dem Häuschen und hat das Gefühl gleich durchzudrehen, umzukippen oder was auch immer….

    Ganz schlimm zur Zeit mein Mütterlein mit ihren Sorgen, ihrem alt sein, dem Radius der immer kleiner um sie wird…was für mich bedeutet das ich da üüüüberhaupt nicht mit umgehen kann….alles artet gleich aus in „Die ganze Welt stirbt gleich…und ich mit“….

    Glücklich wer dazu Menschen um sich hat, die einfach nur da sind…

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  3. Im letzten Lebensdrittel stellt man plötzlich fest, dass doch noch sehr viele Dinge nicht erledigt sind, aber ob die Zeit dafür reicht?
    Wahrscheinlich liegt darin der Zeitmangel für Rentner. Ansonsten ist das Leben ohne Zeitdruck viel angenehmer als wenn man noch arbeiten müsste.

    G. l. G. Jochen

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    • Komisch, wenn eine Silberlocke im Auto vor mir fährt, dann scheinen Senioren alle Zeit der Welt zu haben…frei nach dem Motto: „Gevatter, alter Knabe, s’geht auch noch übermorgen!“
      Sobald ich den weißhaarigen Kandidaten dann aber irgendwann überholen möchte, tritt er mal so richtig aufs Gas,….und der Gegenverkehr rückt näher.
      Dann wundert sich die Herrschaft vielleicht später, warum der Sensenmann doch noch nicht erschienen ist. Man hatte eben noch das dumpfe Gefühl gehabt, er wäre ganz, ganz nah gewesen…

      HEUTE erst erlebt. Mann, Mann, Mann. Und ich fahre wirklich eher defensiv und überhole nicht auf Teufel komm raus. Das macht mich stinkig (egal, ob Silberlocke am Steuer hockt, oder jemand anderes)!

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      • Diese Zeitgenossen ärgern mich auch.
        Ich habe weder Silber im Haar noch die Dritten in der Tasche, bin aber auch defensiv eingestellt. Habe über 40 Jahre einen 38Tonner gelenkt und muss jetzt mein Vorausschauen auf die Fussgaänger mit Handy lenken, die beim gehen SMS tippseln.

        G. l. G. Jochen

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      • Ja, da gibt es Metropolen, wo auf den Bürgersteigen große Warnzeichen aufgemalt worden sind, um vom gen Handy und Boden gerichteten Blick wahrgenommen zu werden. Achtung…Straße!

        In Fußgängerzonen ist man auch immer öfter damit beschäftigt, hinterm Bildschirm klemmenden Bojen auszuweichen.

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  4. Ich kann Dir aus Erfahrung sagen, es folgt eine Neuorientierung…..ich schätze, Du hast jetzt auch das empty nest syndrome, da Deine Tochter in Hamburg studiert 😉 Man plant neue Dinge !

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