von süss bis ungeniessbar

5***** besondere Sterne

Zwei Nächte mit einer Freundin im vermeintlich schönsten Hotels Zürich – direkt am See, 10 Minuten zu Fuss vom Zentrum. Nach intensiven Arbeitsmonaten sehr verdient. Wenn da nicht der Irrtum mit den Sternen wäre. Aber ganz von vorne:

Ich habe dieses Hotel auf einem Blog einer Reise- und Modebloggerin entdeckt und dachte, dass das etwas sein könnte. Also den Gedanken in die Tat umgesetzt und angereist. Von aussen ein Traum – ein altehrwürdiges Gebäude am Seeufer.

Beim Eintreten durch die wunderbare alte Schwingtüre schlägt uns als erstes …. Zigarrengeruch entgegen. Echt jetzt? Der Herr Stardesigner Philippe Starck hat dieses Haus im Jahr 2019 zu einem seiner extravaganten Objekte gemacht. Dazu gehört ein Fumoir für die Businessherren – platziert direkt neben dem Aufzug und dem offenen Treppenhaus. Was das bedeutet, muss ich wohl niemandem erklären – das weiss sogar ich als Nichtarchitektin!
–> MINUS ein Stern*

Die Suite mit Seeblick macht auf den ersten Blick einen guten Eindruck. Man muss dazu sagen, dass der Sonnenstand bei Betreten volle Pulle auf die Suitenfenster traf – also eigentlich hell. Und die Klimaanlagen laufen auf Hochtouren – ehm … soviel zum Thema Strom und so. Leider ist die Elektronik des Hauses derart verkompliziert, dass wir es nicht schaffen, die Klimaanlagen auszuschalten. Der herbeigerufene nette Herr der Reception drückt auch wie ein Irrer auf den Kästchen rum und murmelt dabei in lustigem Englisch mit indischem Akzent in einer Tour vor sich hin. Irgendwann schaltet das Ding aus – zu seiner grossen Überraschung. Auskennen tut er sich mit den Geräten nämlich auch nicht.
–> MINUS ein Stern*

Abends kommen wir nach einem wunderbaren Shopping- und gastronomischen Genusstag müde ins Hotel zurück und freuen uns auf unsere Betten. Leider kommen wir mit den elektronischen Karten nicht in unsere Suite. Wir gehen also von Stock 5 wieder zurück auf Feld eins an der Reception und bitten um Hilfe. Die nette Dame am Empfang kommt sofort mit ihrer Generalkarte und einem Gerät mit uns nach oben. Im Lift erklärt sie uns noch, dass sie ob der mühsamen Technik in diesem Haus manchmal fast verzweifelt.

Oben angelangt merken wir ganz schnell, dass die Tür nicht den Hauch einer Anstalt macht, sich öffnen zu lassen. Egal, was die Gute auch versucht. Sie hat inzwischen drei Telefone im Anschlag und ist sichtlich gestresst, weil wir inzwischen seit 20 Minuten dort stehen. Der Sachverständige, der selbstverständlich abends um 22 Uhr nicht mehr im Haus ist, versucht ihr telefonisch zu helfen. Aber: NIX GEHT MEHR. Der Burner – diese Türen haben keine Notfallschlösser, mit denen man in einem solchen Fall nachhelfen könnte.

Wir werden mit vielen Entschuldigungen in die Bar geschickt, wo wir doch kurz eine halbe Stunde warten sollen. Kein Thema, machen wir doch – trotz Müdigkeit.
Aus der halben Stunde werden 2 Stunden und ein Einsatz mit grosser Werkzeugkiste eines Externen, der uns wieder Zutritt zu unserem temporären Zuhause gewähren kann. Die Batterie (!) des Kartenlesers war leer. Bitte? Jede Türe wird separat batteriebetrieben und man weiss nie, wann die Batterie leer ist? Tags darauf werden alle Türen im Haus mit neuen Batterien versehen.
–> MINUS ein Stern*

Als wir also an besagtem Abend todmüde um 01.00 Uhr endlich ins Bett fallen wollen, merken wir, dass unsere Zimmer für die unzähligen Lampen keinen Masterschalter haben. Also wandern wir wie die Irren von Schalter zu Schalter und suchen die Dunkelheit zum Schlafen. An der Bettlampe scheitere ich kläglich. Das Ding lässt sich nicht ausschalten. Ich klopfe langsam aber sicher entnervt bei meiner Freundin an der Tür und frage um Hilfe. Sie kommt und streicht über die Lampe, schüttelt sie, klopft drauf – NIX. Bis sie merkt, dass diese Lampe im Inneren ihres Lampenhalses einen Dimmer hat, auf den man lange draufhalten muss, damit sie sich ausschaltet. Lieben Dank auch Herr Designer – mit Abstand das Dümmste, was ich je gesehen habe. Als ich im Bett liege, merke ich, dass aus dem Bad immer noch Licht zu mir kommt. Ich stehe auf und sehe, dass im Inneren der Toilette (beim Wasser) farbiges Licht leuchtet. Hä? Damit man beim Pipi machen eine Disco am Po hat oder wie?
–> MINUS ein Stern*

So, und damit hätten wir nun noch einen Stern übrig. Und der gehört definitiv dem Team des Hauses, das sich mit aller Kraft und Geduld für das Wohl der Gäste einsetzt. Hilfsbereit, zuvorkommend, witzig, erfrischend und gut gelaunt wird man von jedem Teammitglied empfangen, unterstützt, begrüsst und der Einsatz dieser Crew ist grosses Kino. Und das, obwohl sie selber durch die unfassbar mühsamen Designerschikanen immer wieder Gäste beruhigen müssen, die sich nerven.

Auf meine Frage, warum man diese Dinge dann nicht einfach auswechselt, bekam ich die Antwort, dass dieses Haus vom Stardesigner Philippe Starck designt wurde und man per Vertrag explizit darauf verwiesen wird, dass NICHTS verändert werden darf. Frei nach dem Motto: Teuer, beschissen, aber man muss es so lassen – der Herr hat sich da ein Denkmal gesetzt.

Ich habe dem Eigentümer des Hotels eine Mail gemacht – und dem Stardesigner auch. Ich werde darauf nie eine Antwort bekommen, das ist mir klar. Aber ich habe gelernt, dass 5 Sterne nicht zwingend gästefreundlich sein müssen. Es können auch 5 extravagante Schikanensterne sein, die keine Mensch braucht.

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4 Kommentare

  1. silgil

    unglaublich, wie verdreht das Exklusive sein kann. nix mit praktisch.
    Klingt eher wie ein Krimi Lösungshotel ,-)

  2. arnold

    Gottseidank musstet Ihr für die Nacht nur CHF 80.- bezahlen 😂😂

    • modepraline

      Du sagst es – ich hätte mich sonst tierisch geärgert!

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